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Sind Elektroautos umwelt- und klimafreundlich?

Ladesäule steht noch vor den Häusern im Neubaugebiet; Foto: Heiko Jacobs

Eine Mär, die durch dauerndes Wiederholen auch nicht richtiger wird: Häufig werden Elektroautos als umwelt- oder klimafreundlich bezeichnet, was natürlich auf viele Mitbürger abfärbt. Dabei werden gleichzeitig alle anderen negativen Folgen des individuellen Autoverkehrs negiert. Auch die Autolobby macht sich dies zum Nutzen und betont, dass der zukünftige Autoverkehr umwelt- und klimafreundlich sein wird. Dabei wird das Gesamtproblem des massenhaften Autoverkehrs ausgeblendet und werden nur die Emissions- und Energieprobleme angegangen, um diese dann vermeintlich zu lösen und damit das Verkehrsmodell „Motorisierter Individualverkehr“ (MIV) nicht angreifbar zu machen. So wird das Thema Emissionen überhaupt nicht kleingeredet, aber man verkündet natürlich die in der Zukunft liegende Lösung. Diese heißt Antriebswende. Es kann niemanden wundern, dass dieses Thema verfängt. Bei vielen Diskussionen steht es im Zusammenhang mit der Klimawende im Vordergrund. Alle anderen Probleme bleiben damit ausgeblendet. Selbst wenn man den emissionsfreien Antrieb als wichtigstes Problem benennt, gibt es auch in diesem Fall keine Lösung, weder für die Umwelt noch für das Klima. Aber die Gewöhnung an ein eigenes Auto und an das Privileg, besser als die Nichtmotorisierten voranzukommen, ist viel zu groß, als dass man über den Tellerrand blickt und feststellt, dass Elektroautos nicht die Lösung der Verkehrsproblematik sind, auch zur Klimawende tragen sie nicht bei.

Nun bekommt man ja zu hören, wer eine eigene Fotovoltaikanlage auf dem Dach besitzt, der kann ja klimaneutral sein Auto aufladen. Aber das wäre fatal! Wir brauchen zukünftig jede Stromquelle, denn Strom ist viel zu wertvoll, und wir müssen unbedingt den erzeugten Strom, egal wie erzeugt, ins Netz einspeisen, um den dringend benötigten Strom der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.

Derzeit wird sehr viel über die Energiewende diskutiert und auch erste Schritte in diese richtige Richtung getan. Allerdings tut sich im Verkehrsbereich viel zu wenig und vor allen Dingen viel Falsches, und die große Belastung für Umwelt und Klima durch den Verkehr wird nicht reduziert. Ein schlimmes Beispiel ist die neue Teslafabrik in Brandenburg, die dazu beiträgt, die falsche Verkehrspolitik zu zementieren.

Die Lösung könnte eine andere Verkehrspolitik bringen. Diese wird schon lange von vielen gesellschaftlichen Gruppen und Initiativen angeregt. Zuvor muss aber eine grundsätzliche Änderung des gesamten Verkehrsgeschehens in Angriff genommen werden. Drei Schritte wären dazu nötig.

Erster Schritt: Verkehrswende

Um eine Verkehrswende zu starten, müssen Änderungen in unserer Infrastruktur vorgenommen werden, hauptsächlich in der Bebauungsstruktur, die in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich fast 100 Jahre auf den Autoverkehr ausgerichtet wurde und als Folge davon sich unsere gesamte Umwelt dem Autoverkehr anpasste.

Darauf muss nicht näher eingegangen werden, mit ein klein wenig Blick auf die Straßeninfrastruktur wird alles klar. Hinzu kommt, dass diese Infrastruktur von der Allgemeinheit erschaffen und nicht von den Autofahrenden bezahlt wurde.

Ein nachvollziehbares Beispiel ist die Stellplatzverordnung. Damit wurden und werden die Stellplätze nicht vom Autofahrenden bezahlt, sondern von der Allgemeinheit. Beim Bau eines Hauses, egal welche Funktion das Gebäude hat, ob Wohnhaus, Kaufhaus oder eine Kulturstätte, bezahlt jeder Nutzer die Parkflächen, selbst wenn er als Bewohner gar kein Auto besitzt. Auch ist es egal, mit welchem Verkehrsmittel er anreist oder ob er zu Fuß kommt, er bezahlt über die allgemeinen Kosten den Parkplatz mit. Natürlich wird bei den Anreiseempfehlungen dann gerne auf die vorhandenen Parkplätze hingewiesen. Dabei wäre es zielführender, es würde grundsätzlich die Anreisemöglichkeit deutlich — und zwar wirklich deutlich — mit öffentlichen Verkehrsmitteln (ÖV) angegeben. Als Nachfolgelösung für die Stellplatzverordnung böte sich eine ÖV-Pflichtanbindung an. Werden Neubaugebiete ausgewiesen, dann muss dort der öffentliche Verkehr in privilegierter Weise angeboten werden. Heute wird in Bebauungsplänen oft nur halbherzig auf eine ÖV-Haltestelle, die mehr oder weniger weit weg ist, hingewiesen. Dafür umso mehr auf die zu erstellenden Parkplätze und Zufahrtsmöglichkeiten für den MIV. Deshalb muss das Planungsrecht gründlich verändert werden.

Es ist sinnvoll, wenn zukünftig solche Autoprivilegien abgeschafft werden. Natürlich hängt die Wirtschaft in unserem Land stark an der Automobilwirtschaft und damit hängen auch viele Arbeitsplätze daran. Diese Reduzierungen würden zu sozialen Spannungen führen. Auch dies ein Argument der Automobillobby. Aber in unserem Land fehlen derzeit in vielen Branchen Arbeitskräfte. Mit einem Umschulungsprogramm könnten viele Probleme gelöst werden. Zugegeben, einfach wäre dies nicht, aber was ist die Alternative?

Die häufig zu hörende Aussage, wenn irgendetwas von den Autoprivilegien beschnitten wird, ist: „Ich bin auf mein Auto angewiesen“. Und fast tränenrührend wird diese Aussage auch von vielen Multiplikatoren wie Redakteuren und Politikern aufgenommen und weiterverbreitet. Solche Aussagen werden aber trotz häufigen Wiederholens nicht richtiger. Klassisches Beispiel ist die Krankenschwester, die in einem abgelegenen Dorf wohnt und für die der dortige ÖPNV kein Angebot macht. Natürlich gibt es Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind, aber oft sind es nur kleine vermeintliche Nachteile für den Betroffenen, die beim Verzicht auf das Auto entstehen. Viel deutlicher sind die Vorteile für alle anderen.

Es ist festzustellen, dass eine Verkehrswende zwar Nachteile für manche Menschen bringt, aber für viele Menschen auch viele Vorteile! Hauptsächlich für alle, die nicht immer über ein Auto verfügen können und angesichts unserer dramatischen Klimaentwicklung auch wollen. Die Subventionierung und politische Bevorzugung des Autos verursacht soziale Ungerechtigkeit zugunsten von Autobesitzern.

Zweiter Schritt: Mobilitätswende

Wichtig ist es, viele Fahrten, die heute mit dem motorisierten Individualverkehr zurückgelegt werden, auf den Umweltverbund zu verlagern. Vorrang für Fußgänger, Bus, Bahn und Fahrrad, dies ist eine schon länger gemachte Forderung von Leuten, die eine andere Verkehrspolitik wünschen. Es ist also mehr als nur der Umstieg von Verbrennungs- auf Hybrid- oder Elektromotoren. Hierzu gehört auch ein Umdenken des Begriffs „Mobilität“ an sich. Umdenken muss hierzu die Politik, die Wirtschaft und die Gesellschaft überhaupt.

Allerdings, die Autodenke (Windschutzscheibenperspektive) hat sich schon wie ein Geschwür ausgebreitet.

Die Aussage, ich bin auf mein Auto angewiesen, darf nicht ungeprüft stehen bleiben. Die erste Frage ist, stimmt diese Aussage? Wenn diese Aussage stimmt, dann stellt sich die Frage, warum ist das so? Hat der oder die Betroffene sich bei der Wohnortwahl keine Gedanken gemacht? Hat er oder sie sich schon einmal um die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs in seinem oder ihrem Wohnort bemüht?

Die Voraussetzung für eine Mobilitätswende ist ein Wandel der Einstellung zum Auto, das häufig noch als Symbol für Unabhängigkeit und Freiheit empfunden wird. Dabei ist die Freiheit nur die eigene, nicht aber der Schutz der Allgemeinheit vor Flächenverbrauch, Klimawandel, Unfallrisiken und Mobilitätseinschränkungen. Es muss sich in unserer Gesellschaft das Bewusstsein verbreiten, dass die Mobilitätswende nicht zu weniger Mobilität führt, sondern zu weniger Individualverkehr und trotzdem zu mehr Mobilität. Damit wird auch eine bessere Lebensqualität erreicht.

Dritter Schritt: Antriebswende

Änderung des Modal Split bei Pendlern vor und    nach Kauf eines Elektroautos aus norweg. Umfrage. Andere Verkehrsmittel nur geringfügig verändert; Ja

Ziel muss sein, dass alle notwendigen Fahrzeuge nach Möglichkeit auf elektrischen oder anderweitigen emissionsfreien Antrieb umgerüstet werden. Wichtig dabei ist die Definition des Begriffs „notwendige Fahrzeuge“ oder „notwendige Fahrten“. Dies muss jeder für sich selbst entscheiden, aber wenn‘s nicht klappt, kommen wir nicht um Regulierungen herum. Für die Frage, wie die aussehen sollen, braucht es eine intensive, sachliche und vor allem eine zielorientierte Diskussion. Auf jeden Fall ist die derzeitige Prämienpolitik für den Erwerb von Elektromobilen und für private Wallboxen der falsche Weg! Unabhängig von der Tatsache, dass private Elektroautos keinen Beitrag zur Mobilitätswende leisten, sind die Förderangebote der öffentlichen Hand unnötige Steuerverschwendungen und an sozialer Ungerechtigkeit kaum zu überbieten. Nur Einfamilienhausbesitzer kommen leicht an eigene Lademöglichkeiten, die dann auch noch öffentlich zusammen mit dem Fahrzeug gefördert werden. Mieter oder Bewohner von Mehrfamilienhäusern gehen in der Regel derzeit leer aus.

Welche Fahrzeuge sollen dann auf Elektroantrieb umgestellt werden? Das sind alle die Fahrzeuge, die sofort jedem einfallen, wenn’s darum geht, wie wichtig Autos sind:

Feuerwehr, Krankenwagen, Polizei, Notärzte und sehr viele mehr, die alle der Allgemeinheit Nutzen bringen. Allerdings nicht die Fahrzeuge, die privat zum Vergnügen genutzt werden. Zweifel besteht, wie man es schaffen soll, die Anzahl der Autos und Motorräder mit freiwilliger Mitarbeit der Bevölkerung zu reduzieren. Wie kann dieser Schritt getan werden? Aber wie sehen die Wege dahin aus? Gibt es überhaupt die Möglichkeit, den privaten Kfz-Bestand zu reduzieren?

Umwelt- und energiepolitisch fatal wäre es, wenn die Autos zwar alle elektrisch angetrieben wären, aber die Anzahl der Fahrzeuge nicht abnehmen oder gar noch zunehmen würde. Umweltpolitisch, weil der Flächenverbrauch durch den Autoverkehr dramatisch ist und energiepolitisch, weil auch trotz Ausbau der erneuerbaren Energien diese auch immer knapp sein werden und sich die Frage stellt, wer denn bevorzugt versorgt werden soll. Es stellt sich dann auch weiterhin die Frage, warum gibt es für die Fortbewegung weiterhin die Zweiklassengesellschaft, nämlich die Personengruppe, die sich individuell fortbewegen kann und damit privilegiert ist und die Gruppe, die aus welchen Gründen auch immer auf den öffentlichen Verkehr angewiesen ist?

Leider gibt es kaum Artikel über Mobilität, in welchem nicht das E-Auto als das Nonplusultra hingestellt wird. Doch muss auch der Aspekt einer möglichen Änderung des Verkehrsverhaltens durch Elektroautos beachtet werden:

Durch die deutlich niedrigeren fahrleistungsabhängigen Kosten kommt es sowohl zu einer Neu-Induktion von Verkehr als auch zu einer Verkehrsverlagerung vom ÖV zum MIV, was schwerwiegende ökologische (Zunahme von Flächenverbrauch, CO2-Emissionen und Unfallrisiko) und ökonomische Folgen hätte (Überlastung des Straßennetzes, Zunahme der Betriebskosten und des Defizits des ÖV).

Dieser Effekt wurde zuerst in Norwegen beobachtet und beschrieben. Norwegen ist das Land mit dem höchsten Anteil an Elektroautos, inzwischen sind rund ein Viertel der Neuwagen Elektroautos. Besitzer von Elektroautos nutzen auf dem Weg zur Arbeit in Norwegen deutlich häufiger das Auto als Öffentliche Verkehrsmittel, das Fahrrad oder die eigenen Füße. Besonders interessant ist ein Vorher-Nachher-Vergleich des Einflusses des Kaufs eines Elektroautos auf das Nutzerverhalten. Nach Anschaffung eines Elektroautos ging die Nutzung des ÖPNV in Norwegen bei den Fahrten zur Arbeit um 74 % zurück.1)

Gerhard Stolz

1)UPI Heidelberg, Nr. 79: „Ökologische Folgen von Elektroautos — Ist die Förderung von Elektro- und Hybrid-Autos sinnvoll?“ upi-institut.de/upi79_elektroautos.htm

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