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Die Deutsche Bahn an die Börse?

Der Gegenwind für einen Börsengang der Deutschen Bahn mit dem Schienennetz und dem Verkehr zusammen wird immer heftiger. Zahlreiche Gutachten und Organisationen sprechen sich für eine Trennung von Netz und Betrieb aus. Die Unruhe der Taktiker auf beiden Seiten ist groß. Der jüngste Schachzug ist eine Streikdrohung zur Fußballweltmeisterschaft des Transnet-Gewerkschaftschefs Norbert Hansen: “Nach Auffassung unserer Gewerkschaft wird der Druck auf die Arbeitsplätze bei einer Zerschlagung der DB massiv zunehmen. Allein im Dienstleistungsbereich sei mit einem massiven Einbruch der Beschäftigung zu rechnen. Hinzu kommt, dass der erst kürzlich vereinbarte Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung bei der Deutschen Bahn durch die Auflösung des Konzernverbundes wegfällt.”

Dazu eine Pressemeldung von PRO BAHN vom 23.1.2006:

Eisenbahner-Streikdrohung ist illegal — kein Eisenbahner wird arbeitslos —

Die Erpressung von Bundesregierung und Bundestag ist das Ziel der Drohungen mit Streiks der Eisenbahner zur Fußballweltmeisterschaft. Als Aufruf zum illegalen politischen Streik wertet der Fahrgastverband PRO BAHN die Streikdrohungen des Transnet-Gewerkschaftschefs Norbert Hansen.

“Mit einer Neuordnung der Verantwortung für das Schienennetz wird kein einziger Eisenbahner arbeitslos — es ist vielmehr mit neuen Arbeitsplätzen zu rechnen”, erklärte Rainer Engel, Rechtsreferendar des Verbraucherverbandes.

“Ein Streik während der Fußballweltmeisterschaft richtet sich direkt gegen Bundesregierung  und demokratisch gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages”, erklärte Engel. “Dieser politische Streik ist illegal.” Mit der Streikdrohung will die als Betriebsgewerkschaft der Deutschen Bahn AG geltende Transnet erreichen, dass das deutsche Schienennetz an der Börse an private Kapitalanleger verkauft werden kann. Dem müssen die Abgeordneten des Bundestages zustimmen. Verkauft werden aber darf nach dem Grundgesetz höchstens die Hälfte der Aktien des Schienennetzes. “Mit dem Börsengang der Bahn würde die Bundesrepublik dauerhaft Eigentümer von in- und ausländischen Logistikunternehmen, die der Bahnvorstand inzwischen eingekauft hat. Das ist nicht im Interesse der Steuerzahler”, erklärte Engel.

“Außerdem würden die neuen Kapitalgeber das Schienennetz bald abstoßen wollen, weil ein Logistikkonzern mit 50% Staatsanteil international nicht wettbewerbsfähig ist.”

“Die von Gewerkschaftsführern künstlich geschürte Angst um Arbeitsplätze der Eisenbahner ist völlig unbegründet. Auch unter veränderten Bedingungen werden Züge auf den Schienen fahren. Es werden sogar deutlich mehr werden. Solange das Schienennetz vom größten Verkehrsunternehmen beherrscht wird, werden kapitalkräftige Investoren abgeschreckt, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, weil sie unkalkulierbare Risiken befürchten.”

Der Fahrgastverband PRO BAHN tritt seit Jahren dafür ein, staatliche und unternehmerische Interessen im Schienenverkehr transparent zu ordnen. Die wiederholten Drohungen mit illegalem Streik auf dem Rücken der Fahrgäste und Güterkunden töten jede konstruktive Diskussion um interessengerechte Lösungen.

Rainer Engel

Hier zum Sachverhalt einige Hintergrundinformationen:

Die wahren Hintergründe der Streikdrohungen der Eisenbahnergewerkschaft Transnet sind ganz andere als die vordergründige Angst um Arbeitsplätze. Die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer können auch anders gewahrt werden als durch den Verbleib des Schienenetzes im DB-Konzern.

Der Fahrgastverband PRO BAHN tritt durchaus für sichere Plätze der Eisenbahner ein. Gesichert werden die Arbeitsplätze der Eisenbahner aber nur durch mehr Verkehr auf der Schiene. In der Diskussion um Netz und Verkehr hat der Fahrgastverband PRO BAHN immer eine differenzierte Diskussion über die Gestaltung des Verhältnisses des Schienennetzes im Dreieck der Interessen von Staat, Verkehrsunternehmen  und Endnutzern — Fahrgästen und Güterkunden — gefordert.

Die Frage, wie das Rechtsverhältnis des Schienennetzes gestaltet wird, hat selbst gar keinen Einfluss auf die Sicherheit der Arbeitsplätze der Eisenbahner.

In der Transnet-Gewerkschaftszeitung “inform” 1/06, Seite 10, ist zu lesen: “Eine Vielzahl an Interessen  sind (an der Diskussion um das Schienennetz/ erg. durch Verf.) beteiligt. So auch die der Industrie und der Dienstleistungsbranche, die längst ein Auge auf die lukrativen Nebengeschäfte der Bahn, wie etwa Fahrzeuginstandhaltung, Reinigung oder Sicherheit geworfen haben.” Tatsache ist, dass die DB-Führung bereits jetzt Randbetriebe, wie die Deutsche Eisenbahnreklame und das Busunternehmen Deutsche Touring ebenso wie nicht mehr benötigte Ausbesserungswerke und Werkstätten verkauft hat. Reinigungs- und Sicherheitsdienste wurden in Tochterfirmen ausgegliedert, die im Niedriglohnbereich agieren. Woher die Gewerkschaft Transnet die Gewissheit nimmt, dass diese Entwicklung gestoppt und der Verkauf solcher Teilbetriebe verhindert würde, wenn das Schienennetz an die Börse verkauft würde, ist mehr als fraglich. Servicepersonal im Bereich der Stationen wird bereits jetzt von der DB massiv abgebaut, Servicepoints und Sicherheitszentralen geschlossen. Der weitere Stellenabbau und die Ausgliederung verzichtbarer Nebenbetriebe ist also im Kernbereich des Schienenverkehrs in vollem Gange.

Der einzige Zusammenhang von Börsengang und Arbeitsplätzen ist die derzeitige Vereinbarung über betriebsbedingte Kündigungen: Für den Fall, dass das Netz integriert bleibt, hat die DB bis 2010 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet. Einen solchen Tarifvertrag könnte der Gesetzgeber auch bei der Gestaltung von Übergangsregelungen achten, und er wäre damit auch gut beraten.

In der öffentlichen Diskussion verwechselt die Gewerkschaft aber bewusst den “Verlust von Arbeitsplätzen” mit dem “Verlust des Arbeitsplatzes des einzelnen Arbeitnehmers”: Wenn bei AEG Nürnberg die Lichter ausgehen, dann sind die Arbeitsplätze tatsächlich verloren. Im Verkehr sind die Möglichkeiten, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, aber sehr viel geringer. Dennoch ist der Verlust des Arbeitsplatzes für den einzelnen Arbeitnehmer bitter, wenn er von einem anderen Unternehmen nicht oder zu schlechteren Bedingungen eingestellt wird. Den deutschen Gewerkschaften ist es aber nicht gelungen, die Arbeitsplätze gegen solche Entwicklungen zu sichern. In Dänemark gilt beispielsweise eine Pflicht, die Arbeitnehmer nach dem Gewinn einer Ausschreibung zu übernehmen.

Der wirkliche Hintergrund der Haltung von Transnet ist aber, dass die Gewerkschaft einen massiven Verlust der eigenen Macht verhindern möchte. In Deutschland agieren insgesamt drei Eisenbahnergewerkschaften. Die Eisenbahner haben es aber bislang nicht geschafft, ihre Interessen wirklich zu bündeln. Die Transnet gilt dabei in Fachkreisen als “Betriebsgewerkschaft der Deutschen Bahn AG”. Sie ist daher in besonderem Maße von Strukturveränderungen im Bereich der Eisenbahn betroffen. Ein typisches Ausweichmanöver der Arbeitgeber ist es daher, Randbetriebe auszugliedern und zu verkaufen, während Betriebe eingekauft werden, deren Arbeitnehmer anders oder weniger organisiert sind. Nach einem Börsengang würde sich eine solche Entwicklung massiv beschleunigen. Neue Kapitalanleger würden nach dem Börsengang dafür sorgen, dass das Schienennetz bald an den Staat zurückfällt, wenn dieser nicht mehr bereit ist, die Geldforderungen für das Schienennetz uneingeschränkt zu erfüllen.

Der Fahrgastverband PRO BAHN ist durchaus bereit, zusammen mit den Gewerkschaften um sichere Arbeitsplätze zu kämpfen, denn nur Eisenbahner, die keine Angst um ihren Arbeitsplatz haben, können ihre verantwortungsvolle Arbeit leisten. Ein auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragener Streik zerstört aber die Solidarität zwischen den Eisenbahnern und denen, für die sie ihre Arbeitsleistung erbringen.

Rainer Engel

Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 1/06

Stand des Artikels: 2006! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

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