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Einen Artikel über die Schwarzwaldbahn zu schreiben für Fachleute, die am Beginn (oder Ende) dieser Strecke wohnen und sie (hoffentlich) schon x-mal gefahren sind, ist gar nicht so einfach.
Ich möchte trotzdem einige persönliche Gedanken zur “neuen” Schwarzwaldbahn beitragen, wie sie zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2006 mit großem publizistischem Aufwand “auf die Schienen” gesetzt wurde.
Zunächst erinnere ich mich noch gut an die “Horber Schienen-Tage” im November 2003. Der damalige Staatssekretär im Umwelt- und Verkehrsministerium Stefan Mappus wetterte in ungewohnter Offenheit gegen die schlechten Leistungen von DB Regio in Baden-Württemberg und drohte mit spürbaren Kürzungen der Zahlungen durch die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg. Selbst wir Fachleute waren völlig überrascht über solche Töne eines Politikers, zumal Herr Mappus ja damit rechnen musste, dass die Presse gierig seine Philippika gegen DB Regio aufgreifen würde. Dies geschah auch prompt durch entsprechende Artikel in der Horber Presse und kurz danach auch in der “Stuttgarter Zeitung”. Selbst in einem Hintergrundartikel zum SPNV in Deutschland im “Handelsblatt” wurden seine Äußerungen zitiert.
Und was geschah zu unser aller Entsetzen wenige Wochen später? DB Regio gewann die Ausschreibung für die Schwarzwaldbahn! Die Unterlegenen (eine Bietergemeinschaft u.a. mit der AVG) fochten das Ergebnis erst gar nicht gerichtlich an. Jeder gut informierte Bahnfreund wusste, dass die Landesregierung diese Entscheidung hinter den Kulissen massiv zu Gunsten von DB Regio beeinflusst hatte, um den gefürchteten Vorstandsvorsitzenden in Berlin nicht unnötig zu erzürnen, auf dessen Wohlwollen sie ja wegen “Stuttgart 21” angewiesen war und ist.
Eine weitere für mich negative Überraschung kam dann einige Monate später, als nämlich DB Regio, Regionalverkehr Südbaden, mitteilte, dass die “neue” Schwarzwaldbahn erst im Dezember 2006 starten könne, also drei (!) Jahre nach erteiltem Zuschlag. Ich verstand mal wieder die Bahnwelt nicht mehr. Die Strecke war vorhanden, zweigleisig und elektrifiziert, im Rheintal seit Dezember 2004 zwischen Rastatt-Süd und Offenburg sogar viergleisig, die Signaltechnik — durchgehend auf modernem Stand — und im Stundentakt wurde schon zu alten Bundesbahnzeiten in beiden Richtungen gefahren.
Wofür also drei Jahre Vorbereitungszeit? Ich stellte diese Frage natürlich Herrn Anders, “Schwarzwaldbahnmanager”, anlässlich unseres Landesverbandstages im Mai 2006 in Konstanz. Die Antwort: Die Industrie (hier die Firma Bombardier) habe die Lokomotiven (Typ 146.2) und insbesondere die neuen Doppelstockwagen nicht früher liefern können. Warum dann das Bombardier-Werk in Halle Ammendorf wegen Auftragsmangel (!) geschlossen werden musste, verstehe wer will.
Soweit einige Aspekte zur Vorgeschichte, wie ich sie in den vergangenen Jahren mitbekommen habe.
Wer die lange Vorbereitungszeit erwartungsgemäß nicht zu spürbaren Verbesserungen zwischen Offenburg und Konstanz genutzt hat, waren erwartungsgemäß die DB Station & Service AG und DB Netz AG, außer den neuen Signalanlagen im Raum Immendingen — Hattingen — Tuttlingen.
DB Station & Service hatten angeblich kein Geld, um wenigstens die ältesten Bahnsteige zu modernisieren oder Bahnhöfe und deren Umfeld zu verbessern. Dem Betreiber blieb also keine andere Wahl, als die neuen Doppelstockwagen mit der Kompromiss-Einstiegshöhe von 55 cm zu bestellen. Ob es in absehbarer Zeit zu Bahnsteigerhöhungen kommen wird, wage ich zu bezweifeln, solange die Landesregierung stur an “Stuttgart 21” festhält und die eigentlich für ein Projekt “Baden-Württemberg 21” viel sinnvoller einzusetzenden Regionalisierungsmittel lieber in einem riesigen Loch in Stuttgart verschwinden lässt.
Schwieriger ist m. E. die Fahrzeit zwischen Karlsruhe und Konstanz zu beurteilen. Der mögliche Fahrzeitgewinn zwischen Karlsruhe und Offenburg durch Lokomotiven und Wagenmaterial für 160 km/h Höchstgeschwindigkeit ist offenbar als Zeitpuffer für eventuelle Verspätungen in den Fahrplan eingearbeitet worden. An der Gesamtfahrzeit von gut drei Stunden hat sich bekanntlich gegenüber dem letzten Fahrplan (und seit der Elektrifizierung in den siebziger Jahren) nichts geändert. Dass ausgerechnet die IRE-Züge in Süd-Nord-Richtung neben dem 11-Minuten-Halt in Singen (u.a. ICE-Anschluß nach Stuttgart) auch noch in Radolfzell 8 Minuten warten müssen, um den IRE Ulm-Friedrichshafen-Singen-Basel zu erreichen, wird hoffentlich korrigiert werden können. Wer Anhänger des Integralen-Takt-Fahrplans ist, muss allerdings zugeben, dass die Knoten Karlsruhe und Singen durch die jetzige Fahrplankonstruktion (fast) ideal erreicht werden.
Wer aus Wettbewerbsgründen gegenüber anderen Verkehrssystemen eine spürbare Verkürzung der Fahrzeit erreichen will, muss, wenn auch mit knirschenden Zähnen, zur Kenntnis nehmen, dass die Gebirgsstrecke mit ihren 39 Tunnels, so phantastisch sie auch von R. Gerwig gebaut worden ist, eben nur regionale Bedeutung hat. Für große innerdeutsche Taktverbindungen ist das Reiseaufkommen und die Durchschnittsgeschwindigkeit zu gering. Und Güterzüge können die Steigungs- und Gefällstrecken wirtschaftlich nicht befahren. Eine Entlastungsstrecke zur Rheintalbahn zwischen Offenburg und Basel kann die Schwarzwaldbahn nicht sein.
Ein weiterer Gesichtspunkt darf in diesem Zusammenhang auch nicht außer Acht gelassen werden. Ein paar Kilometer weiter östlich muß die Gäubahn Nah- und Fernverkehr und zunehmenden Güterverkehr in die Schweiz und sogar nach Österreich (Wolfurt!) verkraften, obwohl seit der Nachkriegszeit das zweite Gleis zwischen Horb und Hattingen fehlt! Neben der Strecke Stuttgart — Ulm ist diese Strecke m. E. der zweitschlimmste Engpass in Baden-Württemberg, der gut 60 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges wohl endlich mal beseitigt werden müsste! Die SBB übrigens werden den neuen Gotthard-Tunnel wohl im Jahr 2017 in Betrieb nehmen ...
Der Fahrplanwechsel vor einigen Wochen wurde von vielen Marketingaktivitäten begleitet. Sowohl der neue Betreiber als auch die Presse gaben sich große Mühe, den Bekanntheitsgrad zu verbessern, die neuen Züge vorzustellen und die landschaftlichen Schönheiten der Streckenführung zu allen Jahreszeiten hervorzuheben.
Hoffen wir, dass die “neue” Schwarzwaldbahn trotz der (noch) bestehenden Mängel eine Erfolgsgeschichte wird.
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 1/07
Stand des Artikels: 2007! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.