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... müsste jemand, der ein einziges Mal von Deutschland nach Neuseeland fliegt. Denn allein mit dem Hin- und Rückflug von Frankfurt nach Christchurch (NZL) mit Stopp in Singapur verbraucht jeder einzelne Reisende nach dem Klimarechner von Atmosfair das Fünffache seines klimaverträglichen Jahresbudgets an CO2-Emissionen. Er dürfte also fünf Jahre lang kein Auto mehr bewegen, keine Heizung mehr anschalten und auch nichts mehr essen. Für diesen einen Flug fallen rund 12,2 Tonnen (!) CO2 an. Nicht für das gesamte Flugzeug wohlgemerkt, sondern für jeden einzelnen Reisenden. Dabei wird das klimaverträgliche Jahresbudget eines Menschen von Atmosfair mit 2,3 Tonnen CO2 noch recht großzügig veranschlagt. Andere Klimaschutzorganisationen sind da strenger.
Noch drastischer vor Augen gehalten werden die Auswirkungen dieses einen Flugs mit den Zahlen einer neuen Studie. Pro Tonne CO2-Ausstoß schrumpft das arktische Sommermeereis danach um drei Quadratmeter. Allein für Hin- und Rückflug nach Neuseeland gehen also rund 36 m2 Eisfläche in der Arktis verloren. Ein Linienflug nach Tokio vernichtet durchschnittlich 19 m2 Eisfläche (6,4 t CO2), Johannesburg oder San Francisco rund 18 m2, der Trip an die amerikanische Ostküste nach New York noch 11,5 m2 im arktischen Eis. Nicht nur im Jahr der Reise, sondern dauerhaft. Denn die Rückstände bleiben uns in der Atmosphäre erhalten. Selbst der vermeintlich kurze Flug in der Deutschen liebstes Urlaubsland Spanien kosten die Eisbären daher dauerhaft zwei bis drei Quadratmeter ihrer Lebensfläche.
Grund genug also, sollte man meinen, den Flugverkehr drastisch zu verteuern und einzuschränken. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Der Flugverkehr boomt. Fliegen ist hip. In Gesprächsrunden überbieten sich die Deutschen mit ihren Urlaubserzählungen. Je weiter, desto besser. Fernziele haben an den Winterreisen inzwischen einen Anteil von 21 %. Presseberichte, die sich kritisch mit den Auswirkungen des Fliegens beschäftigen, muss man mit der Lupe suchen, es sei denn, es geht um Fluglärm in der Nähe von Flughäfen. In der Politik gibt es daher auch weder auf Bundes-, Landesebene oder kommunaler Ebene eine nennenswerte Bereitschaft zu kritischer Reflexion und Konsequenzen. Es ist geradezu schizophren, wenn etwa die StadtZeitung als offizielles Organ der Stadt Karlsruhe über minimale Erfolge bei den Bemühungen um Klimaschutz berichtet, aber gleichzeitig jede Zunahme der Fluggäste am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden bejubelt. Über den horrenden Klimaschaden, den die rund 1 Mio. Fluggäste verursachen, berichtet niemand. Das Engagement der Stadt Karlsruhe an dem überflüssigen Regionalflughafen wird — genauso wie bei den anderen beteiligten Kommunen und dem Land Baden-Württemberg — kaum hinterfragt. Mit Klimaschutz brüstet man sich gerne; an die großen Brocken der Klimaschädigung will jedoch niemand ran.
Als ob rein innerdeutsche Flüge nicht schon ärgerlich genug wären, kann man seit dem 30.10.2016 jetzt auch noch von Baden-Baden über Hamburg nach Klagenfurt oder Rom, über Berlin nach Graz, Madrid, Mailand oder Sofia fliegen. Für den Flug nach Palma de Mallorca steht sogar wahlweise die Verbindung über Berlin oder Hamburg zur Auswahl. Die Klimaschädigung lässt sich damit noch einmal locker vervielfältigen. Die Entfernungen, die zwischen Baden-Baden, Graz, Klagenfurt oder Rom liegen, werden so mehr als verdoppelt. Die Luftlinienentfernung Baden-Baden — Mailand von 374 km lässt sich auf rund 1.400 km und fast schon das Vierfache steigern. Dass eine Gesellschaft, die wie die Baden-Airpark GmbH komplett in öffentlicher Hand ist, einen solchen Irrsinn bewirbt, ist an Ärgernis kaum noch zu überbieten.
Vermeiden — optimieren — kompensieren
(in dieser Reihenfolge):
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 1/17
Stand des Artikels: 2017! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.