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Bisher geht es hier geradeaus, künftig gesperrt; Fotos und Grafiken: Heiko Jacobs |
In der letzten Ausgabe haben wir schon ausführlich die Rheinbrücken-Themen Naturschutz und Verkehr allgemein behandelt. Ein Thema fand aber nur am Rande der Wörther Hafenstraße Erwähnung: der Radverkehr. Deswegen wollen wir die Folgen der Brückenplanung für die Radfahrer und den anderen langsamen Verkehr in dieser Ausgabe ausführlicher beleuchten.
Dass die neue Brücke keinen Radweg bekommen soll, wenn es nach dem Bund als Bauherrn geht, dürfte sich bereits rumgesprochen haben. Trotz des Versprechens des damaligen Bundesverkehrsministers Ramsauer bei seinem Besuch an der Brücke 2013, sich dafür einzusetzen, tat sich bisher nichts. Dies widerspricht zwar allen Bekundungen des Bundes zur Förderung des Radverkehrs, aber ist das so schlimm? Schließlich wollen wir die Brücke ja eigentlich gar nicht. Und sie liegt ja auch nicht auf der Hauptachse des Radverkehrs.
Zum einen würde, käme sie doch, schlicht am falschen Ende gespart. Und es wären etliche Argumente, die für die Autobrücke sprächen, auch für den Radverkehr gültig. Ein wesentliches ist der Havariefall: Was passiert, wenn ein Schiff die Brücke rammt? Ein Totalausfall träfe nicht nur Auto-, sondern auch Radfahrer, für die der Umweg noch schlimmer wäre. Apropos Umweg: Für Radfahrer aus Richtung Jockgrim und Norden wäre sie eine Abkürzung.
Ok, seltene Ereignisse und Nebenroute, kein Radweg an der neuen wäre kein Weltuntergang, schließlich bleibt uns ja der Radweg an der alten Brücke, oder?
Von wegen! Deren Radweg bleibt zwar auf der Brücke selbst erhalten, aber die Zufahrten auf der badischen Seite ändern sich radikal!
Bisher fährt der Alltagsradfahrer auf schnellem kurzen Weg auf fahrbahnbegleitenden Radwegen an der Südtangente/B 10 entlang ab Knielingen rüber in die Pfalz und zurück. Idealerweise den in Fahrtrichtung rechten nutzend, denn nur dieser ist dafür freigegeben. Das Regierungspräsidium irrt, wenn es sagt, es wären Zweirichtungsradwege. Etwas laut, aber umwegfrei und stets gerade und mit Vorfahrt bzw. Vorrang vor Ein- und Abbiegern, daher schnell. Und offenbar auch nicht auffällig bzgl. Unfälle und anderen Vorkommnissen, da man stets gut sichtbar für Autos ist.
Südumfahrung ungünstig für mehrspurige Räder |
Freizeitradfahrer können auch die Feldwege südlich der Bahn benutzen, entweder schon ab Haltepunkt Maxau, der Weg am See ist aber von schlechter Qualität, oder ab der Abfahrt Maxau, was länger ist. Dann fährt man den Spurweg südlich der Bahndamms, was auch kein idealer Weg ist, insbesondere mit mehrspurigem Rad oder Anhänger. Das lässt sich auch nicht ändern, da die Burgau unter Schutz steht. Mehr Verkehr liefe dem Schutzgedanken entgegen. Für den Alltagsradfahrer ist die kurvige Route ungeeignet.
Am Ölkreuz kreuzt man an der Südtangente vorfahrtsberechtigt in jede Richtung zwei Auf-/Abfahrten, auf denen bisher je max. ca. 2.000 Kfz/Tag fahren. Dies erhöht sich jedoch mit der neuen Brücke auf tw. über 14.000 Kfz/Tag, bei Vollsperrung der alten Brücke zweispurig sogar auf fast 50.000 Kfz/Tag. Das wird sich nicht mit ebenerdig querenden Radfahrern vertragen, deswegen sollen alle Radwege am Ölkreuz aufgehoben werden!
Und wo bleiben dann die Radfahrer? Diese werden abgeschoben, anders kann man es nicht nennen, wenn man sich die Planung anschaut.
An der Einmündung der Straße „Am Kirchtal“ endet künftig die Fahrt von Knielingen entlang der B 10, man muss in's schmale Sträßchen abbiegen. 4x ist Rechts vor Links bzw. Gegenverkehr zu beachten. Man biegt in einen Zufahrtsweg ein, der heute nur zu einem Haus führt, der aber verlängert wird und dann mit Unterführung auch den Hundesportverein anbindet, der heute via Raffineriestr. erreicht wird. Kurz nach der Unterführung biegt der Radfahrer scharf ab und führt paar Meter hoch, um den alten Radweg der Raffineriestr. zu erreichen (der auch unterbrochen wird), über diesen erreicht man wieder die B 10: Umweg 200 m und Ausbremsen an diversen Kurven und Kreuzungen.
Radweg Raffinerie: Zu schmal für Begegnungen, ab Kurve geht’s links abwärts zur Unterführung; Rad 90 cm; |
Noch schlimmer trifft es die Gegenrichtung von Wörth. Der Radweg auf der Südseite der Brücke bleibt zwar, aber an der Abfahrt Maxau muss man aufwändig auf die andere Seite wechseln. Ob das alle machen werden? Vermutlich wird die Zahl der Geisterradler trotz Verbotsschild auf Pfälzer Seite steigen. Das steht dort auch wegen der steilen Abfahrt mit scharfer Kurve, also nicht ohne Grund. Aber spätestens ab Maxau fährt man zwangsweise als Geisterfahrer mit allen Konsequenzen wie Gefahren beim Einbiegen auf den Radweg, Blendgefahr nachts (Abblendlicht heißt ja so, weil es zum Gegenverkehr abgeblendet ist und der fährt ja links vom Auto, rechts vom Auto, dort wo man radelt, wird nichts abgeblendet!) und unzureichende Breite, insbesondere beim schmalen Radweg der Raffineriestr., der derzeit für Gegenverkehr völlig ungeeignet ist und laut Plan auch nicht ertüchtigt werden soll. Dieser liegt erhöht, zur Unterführung geht es paar Meter flott abwärts und dann rechtwinklig scharf rechts in die schmale Unterführung, aus der Autos zum Hundesportverein kommen können. Nach unserer Meinung eine große Gefahrenstelle! Außerdem ist noch 2x die stark befahrene Aus-/Einfahrt Knielingen zu queren etc.: Umweg ohne Geisterradeln 700 m mit mehreren Gefahrenstellen.
Wegen der stark erhöhten Abbiegerzahlen kann man die ebene Querung wohl nicht so lassen, aber es wurden auch Alternativen angeregt. Wichtig wäre es, den Radverkehr von Wörth nach Knielingen auf der Südseite zu belassen, dafür gibt es mindestens zwei Vorschläge: Zum einen könnte man das Ölkreuz zwischen Anschlussohr und Alb umfahren. Baulich wegen Enge nicht ganz einfach und auch weil ein hochrangiges Naturschutzgebiet anschließt. Wenn man bedenkt, dass auf Pfälzer Seite eine ganz neue Straße mit erheblichem Störfaktor durch ein ebenso hochrangiges Gebiet schneidet, dann wundert man sich ja etwas, dass ein Radweg ganz am Rand so ein großes Problem sein soll ...
Alternative Rampe auf der Südseite: Platz genug ist da |
Aber es geht auch ohne Naturschutzeinschränkungen. Von mindestens einem Einwender wurde vorgeschlagen, die Radwege auf der heutigen Trasse zu belassen und die Ein- und Ausfahrten mit „Überwerfungsbauwerken“ zu kreuzen, ein Fachbegriff, der wahlweise Brücken oder Tunnel meint. Geprüft wurden aber nur Brücken, was deutlich längere Rampen erfordert, für die der Platz in der Tat etwas knapp wäre, Unterführungen, deren kürzere Rampen auf beiden Seiten hinpassen würden, blieben dagegen ungeprüft. Selbst, wenn man die geplante einseitige Führung beibehalten würde, könnte man die Zufahrt in die Unterführung sicherer gestalten und müsste die anschließenden Wege ausbauen, natürlich auf Kosten des all die Probleme verursachenden Bauprojekts.
Bisher ging es nur um Radverkehr. Die heutige Brücke ist aber für alle Verkehrsarten da: Neben (über 60 km/h schnellen) Autos, incl. Motorräder und Lkw, und Radfahrern und Fußgänger ist sie auch für langsame Kfz (unter 60 km/h) wie Trecker, Mofas, Mopeds, S-Pedelecs und selbstfahrende Arbeitsmaschinen etc. da und im Prinzip auch für Kutschen, Reiter, Viehtrieb etc. Mag sein, dass letztere heutzutage lieber den Viehtransporter bevorzugen würden, aber heute dürfen alle hier über den Rhein, auch ein armer Schäfer mit seiner kleinen Herde, und es stehen Warnschilder, die auf Trecker als Stellvertreter des langsamen Verkehrs hinweisen.
Achtung: Langsame! |
Das juristische Stichwort lautet „Widmung“. Die Rheinquerung besteht seit 1840, also seit einer Zeit, als es noch keine Autos gab, seitdem ist sie offen für alle und das kann man nicht so einfach wieder ändern, schon gar nicht darf man dauerhaft der Widmung widersprechende Verkehrsschilder aufstellen. Eigentlich dient ein Planfeststellungsverfahren dazu, alle Rechtsfragen eines Projektes in einem Verfahren abzuhandeln, auch Fragen der Widmung. Nur so kann man alle Vor- und Nachteile sauber abwägen. Aus unerfindlichen Gründen verzichtet man hier auf Widmungsfragen sowohl bei der neuen, wie bei der alten Straße, obwohl die damit verbundenen Probleme in mind. einer Einwendung klar angesprochen wurden. Die neue Brücke soll wohl Kraftfahrstraße werden, also nur für Kfz ab 60 km/h zulässig. Was ist dann im Falle einer Vollsperrung der alten Brücke mit landwirtschaftlichem Verkehr? Mit Radlern, wenn die alte Brücke bei Havarien komplett ausfällt? Genau wegen dieses Szenarios will man ja die 2. Autobrücke! Gilt das nicht für Radler und Bauern? Die alte B 10 verliert in Höhe Ölkreuz aus Sicherheitsgründen die Radwege, sie werden auf eindeutig andere Straßen verlegt. Bei unveränderter Widmung hieße das, dass Radfahrer nun die Fahrbahn benutzen dürfen! Ein Verbot ginge nicht ohne Widmungsänderung. Mofas dürfen außerorts auf Radwege, müssen aber nicht. Mopeds zwischen 26 und 59 km/h dürfen nicht auf Radwege, auch S-Pedelecs mit neueren Zulassungen nicht, genausowenig Autos unter 60 km/h, Kutschen, Reiter, Vieh, ... Für all diese entstehen durch den künftig stark erhöhten Abbiegeverkehr aber exakt die gleichen Gefahren wie für die Radfahrer, die man auf einen abgelegenen Weg abschieben will, der absolut nicht für die anderen langsamen Verkehrsarten brauchbar ist und auch nicht so einfach dafür ertüchtigt werden kann. Wo bleiben die künftig? Um diese wichtige Frage hat sich das Regierungspräsidium durch Ausgliedern der Widmungsfrage auf spätere Verfahren nach Bau der Brücke gedrückt.
Alle hier angesprochenen Probleme sind detailliert in die Klage der Umweltverbände eingeflossen. Wir sind gespannt, was der Verwaltungsgerichtshof zu dieser völligen Ignoranz von Langsamverkehr sagen wird.
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 1/18
Stand des Artikels: 2018! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.