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Der Fuß- und Radentscheid strebt ein für alle angenehmes Miteinander von Fuß- und Radverkehr an; Foto: Elisabet Loris-Quint | |
Ein verkehrsberuhigter Bereich in Karlsruhe heute. Für Ballspiele, wie sie das Schild nahelegt, ist hier kein Platz. Foto: Jan Cermak |
Am 25. März hat sich die Initiative „Fuß- und Radentscheid“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Die etwa 500 Teilnehmenden der Critical Mass an diesem Abend hörten, was das Bürgerbegehren für die kommenden Monate geplant hat. Ein breites Echo in Presse und sozialen Medien trug die Botschaft weiter: Geht es nach den Initiator:innen, wird die Stadt Karlsruhe in den kommenden Jahren den Fuß- und Radverkehr deutlich priorisieren und damit nach der Fertigstellung der Kombilösung die nächste Phase des Stadtumbaus einläuten. Wie es dazu kam und was noch geplant ist:
Vor zwei Jahren, mitten im ersten Pandemiesommer, haben einige Karlsruher umwelt- und verkehrspolitische Gruppen an Samstagen gemeinsam Pop-Up-Bikelanes in der Stadt eingerichtet, also temporäre, breite, durch Verkehrshütchen abgetrennte Radfahrspuren an zentralen Stellen der Stadt (siehe u&v 2/20). Die Begeisterung der Vorbeiradelnden war greifbar, die Rückmeldungen waren überwältigend positiv — sogar in den Medien. Immer wieder hielten Menschen an und fragten, wo sie denn unterschreiben könnten. Doch es gab nichts zu unterschreiben. Die Pop-Up-Bikelanes waren eine Spaß-Aktion, ein politischer Fingerzeig, eine medienwirksame Aktion, aber eben nichts Verbindliches. Am Abend wurden sie abgebaut und am Folgetag rollte wieder der Autoverkehr, wo gestern noch Raum für den stetig wachsenden Radverkehr gewesen war.
„Da geht mehr!“, dachten sich die Organisator:innen der Popup-Radspuren. In einer Stadt, in der 40 % der Haushalte kein Auto besitzen, in einer Stadt, in der schon heute mehr als 50 % der täglichen Wege zu Fuß und mit dem Rad zurückgelegt werden. Der Fahrradverkehr in Karlsruhe nimmt stetig zu und liegt nach der letzten Erhebung bei einem Wegeanteil von 31 %. Der zuständige Bürgermeister Fluhrer gestand schon 2019 bei einer öffentlichen Veranstaltung ein, dass die Fahrrad-Infrastruktur in der Stadt längst nicht mehr mit dem wachsenden Radverkehr mithalten könne.
Die Menschen in Karlsruhe wollen zu Fuß und mit dem Rad mobil sein, das zeigen diese Zahlen sehr deutlich. Dass wir klimafreundliche Mobilität brauchen und weg müssen vom Auto, ist in diesen Tagen so offensichtlich wie selten zuvor. Unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu lösen ist dringend geboten. Darin sind sich alle einig, bis hin zum Gemeinderat, der sich schon vor einigen Jahren zum Ziel gesetzt hat, Klimaschutzaspekte zu einem zentralen Aspekt jeder Planung zu machen. 2021 wurde mit den Stimmen aller demokratischen Parteien im Gemeinderat das „Karlsruher Programm für Aktive Mobilität“ verabschiedet, in dem unter anderem das Ziel gesetzt wird, den Wegeanteil von Fuß- und Radverkehr von aktuell 55 % schrittweise auf 70 % zu erhöhen.
Bei allen guten Absichtserklärungen von Verwaltung und Gemeinderat fehlt aktuell aber ein konkreter Plan, wie diese Ziele erreicht werden sollen. In jeder Einzelplanung, die den Gemeinderat erreicht, wird wieder umfassend diskutiert, ob Platz für sicheren Fuß- und Radverkehr geschaffen werden soll, oder ob nicht doch die komfortablen Parkmöglichkeiten vor der Haustür wichtiger sind. Zuletzt ist diese Debatte anhand der Reinhold-Frank-Straße entfacht. Immer wieder wird am Ende solcher Debatten der Komfort des stehenden Kfz-Verkehrs über die Sicherheit von Fuß- und Radverkehr gestellt.
Kurz: Der Gemeinderat hat hehre und begrüßenswerte Ziele gesetzt, aber es gibt keinen konkreten Plan, wie diese erreicht werden können. Genau da setzt der Fuß- und Radentscheid an: Mit einem Maßnahmenkatalog, der konkrete Standards und Ziele für mehr Sicherheit und Komfort im Fuß- und Radverkehr in Karlsruhe definiert, möchten wir Gemeinderat und Verwaltung einen konkreten Weg in Richtung Verkehrswende weisen. Der Fuß- und Radentscheid ist ein Bürgerbegehren, das die Prioritäten im Verkehrssystem der Stadt Karlsruhe verschieben soll, und zwar zügig und nachhaltig. Künftig soll nicht mehr abgewogen werden zwischen Komfort für Kfz-Verkehr und Sicherheit für Fuß- und Radverkehr, sondern diese Priorität muss klar sein. Wir glauben, dass die Bevölkerung in Karlsruhe weiter ist, dass sie mehr möchte. Umfrage nach Umfrage zeigt, dass die Menschen sich eine Verkehrswende wünschen. Fuß- und Radentscheide in anderen Städten haben entsprechend schnell die benötigten Unterschriften aus der Bevölkerung zusammenbekommen. Der erste Baustein eines Bürgerbegehrens ist ein Beschlusstext, wir nennen unseren Text einen „Maßnahmenkatalog“. Diesen Maßnahmenkatalog haben wir über viele Monate ausgearbeitet und mit vielen kompetenten Leuten aus Wissenschaft, Gesellschaft und Politik abgestimmt. Nach öffentlicher Vorstellung des Maßnahmenkatalogs beginnt, vermutlich ab Frühsommer, die Unterschriftensammlung, überall in der Stadt. Dabei freuen wir uns über jede Unterstützung, z. B. durch Geschäfte, die Listen bei sich auslegen, oder Mithilfe am Infostand, bei der Pressearbeit und an vielen anderen Stellen. Nach erfolgreicher Unterschriftensammlung kann anschließend entweder der Gemeinderat direkt die Maßnahmen übernehmen, oder es kommt zu einem Urnengang.
Der Fuß- und Radentscheid wird aktuell getragen von ADFC, VCD, Fridays For Future, Parents for Future, Scientists for Future, GermanZero und dem Organisationsteam der Critical Mass. Weitere Gruppen und Einzelpersonen sind herzlich zur Mitwirkung — aktiv oder symbolisch — eingeladen. Auf dass Fuß- und Radverkehr künftig ganz oben auf der verkehrspolitischen Agenda der Stadt steht!
Aktuelle Informationen, auch zur Mitwirkung, unter fussradka.de
Jan Cermak für den Fuß- und Radentscheid Karlsruhe
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 1/22
Stand des Artikels: 2022! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.