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Zu diesem Thema schrieb die BUZO dem Umweltminister und dem Verkehrsminister einen Brief. Mit Verweis auf Verbesserungen bei Verkehrssicherheit, Verkehrsfluss und CO2-Ausstoß durch ein Tempolimit von 120 km/h fragten wir, warum in Deutschland nicht eingeführt wird, was in allen umgebenden Ländern bereits erfolgreich ist. Als Antwort bekamen wir zu lesen, dass die Entwicklung verbrauchsarmer Motoren vorrangiger ist und auf Selbstverantwortung der Bürger und situationsangepasste Geschwindigkeitsregelungen gesetzt wird. Es wird auf die mangelnde Einsicht in generelle Tempolimits verwiesen und darauf, dass die hohe Geschwindigkeit nicht Hauptunfallursache sei. Alles alte Argumente, die uns weiterhin nicht schlüssig erklären, warum man nicht doch ein allgemeines Limit einführen kann und warum man nicht auch kleine Schritte zur CO2-Entlastung umsetzen kann. Alle drei Briefe im vollen Wortlaut finden Sie nachfolgend.
auf deutschen Autobahnen wird sehr schnell gefahren: sehr offensiv, aggressiv. Die nervliche Belastung ist bei einer Fahrt auf der Autobahn für viele Autofahrer sehr hoch. Das dient nicht der Verkehrssicherheit.
Hohe Geschwindigkeiten mit häufigem Abbremsen und Beschleunigen führen außerdem zu unnötig hohem Treibstoffverbrauch und damit zu hohem CO2-Ausstoß.
Alle EU-Länder haben eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf ihren Autobahnen eingeführt, die bei 120 bis 130 km/h liegt. Wer im Ausland mit dem Auto unterwegs ist, wird feststellen, dass man dort viel entspannter unterwegs ist, der Verkehr fließt stetiger, was auch zu weniger Staus führt.
Sie stellen sich gegen eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen. Ein überzeugendes Argument, warum Sie das tun, haben wir aus Ihren öffentlichen Darstellungen noch nicht erfahren können.
Sicher werden Sie uns gerne erklären, warum - was im Ausland selbstverständlich ist - auf deutschen Autobahnen nicht gelten soll. Außerdem vermissen wir die pointierte Stellungnahme für eine defensive Mobilitätskultur zum Schutz der Menschen und der Umwelt.
Weiter ist im Hinblick auf die derzeitige Diskussion zum Klimawandel unverständlich, weshalb das Angebot im öffentlichen Verkehr reduziert wird. Wir würden hier stattdessen deutliche Verbesserungen für Schiene und Bus erwarten.
Dass es auf unseren Autobahnen regionale Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt, ist uns bekannt.
Es ist unbestritten, dass wir den CO2-Ausstoß weltweit massiv senken müssen, um den Klimawandel und seine Folgen beherrschbar zu machen. Richtig ist auch, dass alle Bereiche dazu beitragen müssen - auch der Autoverkehr. Die positiven Wirkungen einer Geschwindigkeitsbeschränkung sind bekannt. Sie bestehen vor allem in der Senkung des Unfallrisikos und in der Minderung möglicher Unfallfolgen. Ein Tempolimit kann darüber hinaus zur Senkung des verkehrsbedingten CO2-Ausstoßes beitragen. Allerdings gilt es, bei der Senkung der Verkehrsemissionen die richtigen Prioritäten zu setzen.
Absolut vorrangig ist es, den Verbrauch der Fahrzeuge gravierend zu drosseln. Die Autohersteller müssen bessere, verbrauchsärmere Motoren entwickeln und auf den Markt bringen, die weniger CO2 ausstoßen als es heute üblich ist. Die europäische Automobilindustrie hat sich dazu verpflichtet, den CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte im ersten Schritt bis 2008 auf maximal 140 g/km zu begrenzen, im zweiten Schritt auf 120 g/km. Die Umsetzung dieser Selbstverpflichtung, gegebenenfalls auch durch klare, rechtsverbindliche Ziele auf EU-Ebene, muss Vorrang haben. Das Thema gehört zu den Schwerpunkten der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Bereich Umwelt. Dazu planen wir als einen ersten Schritt Ratschlussfolgerungen auf dem Umweltministerrat im Juni dieses Jahres.
Zunächst über ein Tempolimit zu debattieren und die Autoindustrie damit aus ihrer Verantwortung zu entlassen, wäre allerdings der falsche Weg, weil es das industriepolitische Problem des CO2-Ausstoßes quasi privatisieren würde. Zweifellos könnten wir den Beitrag, den ein Tempolimit zur Lösung des Problems leisten kann, am Ende vielleicht brauchen. Aber das sollte dann auch wirklich am Ende und nicht am Anfang stehen.
Dennoch kann jeder Autofahrer dazu beitragen, die Umwelt zu schonen, indem er den Wagen öfter mal stehen lässt, beim nächsten Autokauf auch auf den Spritverbrauch achtet oder gelegentlich langsamer fährt. Dazu braucht es keine staatlichen Regelungen.
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hält die Einführung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht für notwendig. Autobahnen sind die sichersten Straßen. Obwohl auf ihnen rund 30 % der Gesamtfahrleistungen erbracht werden, ereignen sich hier weniger als 6,5 % der Unfälle mit Personenschaden (2005: 6,2 %). Das Unfallgeschehen auf Autobahnen wird im Wesentlichen durch individuelles Fehlverhalten (z. B. zu geringer Abstand, der Verkehrslage oder den Witterungsverhältnissen nicht angepasste Geschwindigkeit) oder örtliche Verkehr s Verhältnisse (z. B. Verkehrsdichte oder Ausbauzustand) beeinflusst.
Bei der Diskussion um ein Tempolimit werden zudem folgende Faktoren oft übersehen:
• Ausgangspunkt für die meisten Unfälle ist nicht so sehr das Überschreiten einer angeordneten Höchstgeschwindigkeit, sondern die im Einzelfall nicht situationsangepasste Geschwindigkeit. Die situationsangepasste Geschwindigkeit kann auch deutlich unterhalb eines teilweise geforderten generellen Tempolimits von 130 oder 120 km/h liegen.
• Die Unfallhäufigkeit ist nicht homogen über das gesamte Autobahnnetz verteilt.
• Der Autofahrer folgt Anordnungen umso eher, je sinnvoller sie ihm erscheinen. Die Einsichtigkeit und als deren Folge die Akzeptanz einer Regel spielen eine überragende Rolle.
Zudem ist - wie Sie richtig erwähnen - bereits durch Verkehrszeichen die Geschwindigkeit auf rund einem Drittel des deutschen Autobahnnetzes einschließlich Geschwindigkeitsbeschränkungen durch Verkehrsbeeinflussungsanlagen begrenzt. Hinzu kommen Geschwindigkeitsbeschränkungen, die aufgrund von Arbeitsstellen angeordnet sind. Außerdem weist das deutsche Autobahnnetz eine sehr hohe Verkehrsdichte auf, was faktisch das Fahren mit hohen Geschwindigkeiten immer weniger zulässt. Von der Einführung eines allgemeinen Tempolimits werden daher keine durchgreifenden Sicherheitsgewinne erwartet.
Auch ein Vergleich mit ausländischen Unfallstatistiken zeigt, dass die Unfallzahlen dort - trotz vorhandener allgemeiner Tempolimits - keine zwingenden Schlussfolgerungen auf die Notwendigkeit einer allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen zulassen. Deutschland liegt im internationalen Vergleich hinsichtlich der im Straßenverkehr tödlich Verunglückten im Bereich des “günstigen" oberen Mittelfeldes.
Soweit Sie sich auch unter Umweltgesichtspunkten für ein generelles Tempolimit einsetzen, verweise ich darauf, dass insbesondere das Potenzial einer CO2-Reduzierung allgemein weit überschätzt wird. So geht das Umweltbundesamt (UBA) in seinem Bericht “Umweltauswirkungen von Geschwindigkeitsbeschränkungen" (Mai 1999) davon aus, dass bei einer (unrealistisch) hohen Befolgungsquote von 80 % bei einem Tempolimit von 120 km/h eine Minderung der CO2-Gesamtbelastung (also aller Emittenten - Industrie, Haushalte etc. - nicht nur Verkehrsbereich) von nur 0,3 % und bei einem Tempolimit von 100 km/h von nur 0,6 % zu erwarten wäre. Dies bedeutet für den Anteil der CO2 Emissionen, die nur dem Straßenverkehr zuzurechnen sind, dass durch ein Tempolimit auf Autobahnen von max. 120 km/h (bei einer -unrealistisch - hohen Befolgungsquote von 80 %) eine CO2 -Reduzierung von 2 % erreicht werden kann. Neuere Studien sind hier nicht bekannt.
Die Bundesregierung gibt auf Autobahnen einer situationsangepassten Geschwindigkeitsregelung den Vorzug. Insbesondere moderne rechnergesteuerte Verkehrsbeeinflussungsanlagen, die flexibel auf Faktoren reagieren, welche die Verkehrssicherheit beeinflussen, können gezielt Unfallschwerpunkte beseitigen und gleichzeitig zur Flüssigkeit des Verkehrs und damit zum Abbau von Staus beitragen. Auf hochbelasteten Autobahnabschnitten sind moderne Verkehrsbeeinflussungsanlagen besonders wirkungsvoll. Deshalb hat das BMVBS das Programm zur Verkehrsbeeinflussung auf Autobahnen auch fortgeschrieben. Es sieht für den Zeitraum 2002 bis 2007 ca. 200 Mio. Euro für weitere solcher Anlagen u. a. zur situationsangepassten Geschwindigkeitsregelung (und Gefahrenwarnung) vor. Zur Zeit sind ca. 950 Autobahnkilometer mit solchen Anlagen ausgestattet.
Schließlich wäre es unverhältnismäßig, auch auf freier Strecke und bei guten Witterungsbedingungen ein Tempolimit anzuordnen. Die große Mehrheit der verantwortlich handelnden Kraftfahrer würde damit reglementiert, um eine kleine Minderheit von verantwortungslosen “Rasern" zu treffen, bei denen ohnehin äußerst fraglich ist, ob sie ein generelles Tempolimit befolgen würden. Statt eines schematisierenden Tempolimits für alle muss es vorrangig darum gehen, die Verkehrsteilnehmer nachdrücklich an die Einhaltung ihrer Pflichten zu erinnern und zugleich mit den Mitteln der Verkehrserziehung und -aufklärung ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, in dem rücksichtslose “Verkehrsrowdies" sozial isoliert werden. Jede einzelne Bürgerin und jeder Bürger ist gefordert, im Rahmen ihrer/seiner individuellen Möglichkeiten dazu beizutragen.
Ihr Argument, dass sich das Angebot im öffentlichen Verkehr reduziert, kann so nicht bestätigt werden. Seit der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) vor 10 Jahren ist zumindest in Deutschland der Trend einer erhöhten Nachfrage und Nutzung zu verzeichnen. Die Fahrgastzahlen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. So nutzen täglich rd. 28,5 Mio. Fahrgäste den ÖPNV und vermeiden dadurch rein rechnerisch rd. 18,5 Mio. Pkw-Fahrten. Entsprechend der föderalen Struktur in Deutschland sind grundsätzlich die Länder, Kreise und Kommunen für den ÖPNV zuständig. Ein leistungsfähiger und attraktiver ÖPNV ist ein Kernbereich nachhaltiger Verkehrspolitik auch auf Bundesebene. Obwohl Angelegenheit der Länder, beteiligt sich der Bund allein im Jahr 2007 mit 6,7 Mrd. € Regionalisierungsmittel an der Finanzierung des ÖPNV in den Städten und Kreisen. Darüber hinaus fördert der Bund im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden. Aus dem GVFG-Bundesprogramm stehen derzeit jährlich 333 Mio. € zur Verfügung. Gleichzeitig erhalten die Länder aufgrund der im Rahmen der Föderalismusreform abgeschafften GVFG-Länderprogramme Kompensationszahlungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden in Höhe von rund 1,34 Mrd. € nach dem Entflechtungsgesetz.
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 2/07
Stand des Artikels: 2007! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.