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Dr. Walter Casazza
Foto: VBK/KVV |
2007 und 2008 durften wir Herrn Dr. Walter Casazza, den Geschäftsführer des Karlsruher Verkehrsverbundes (KVV), als Gast von BUZO, PRO BAHN und VCD im Umweltzentrum zu informellen Treffen begrüßen, bei denen zahlreiche Fragen rund um die Entwicklung des ÖPNV, des KVV usw. gemeinsam erörtert wurden. Es entstand die Idee, Herrn Dr. Casazza auch um ein Interview für unsere Zeitschrift „umwelt&verkehr Karlsruhe“ zu bitten. Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Casazza und seinem Team für die freundliche Beantwortung der Fragen und die gute Zusammenarbeit und freuen uns, auch unsere Leser an den interessanten Informationen aus erster Hand teilhaben lassen zu können.
Projekte insbesondere baulicher Art werden derzeit an vielen Stellen innerhalb des Verbundgebietes des KVV, aber auch in jenen Gemeinden, die durch die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) angefahren werden, verfolgt. Der neue Betriebshof Gerwigstraße in der Karlsruher Oststadt wird voraussichtlich Ende des Jahres fertiggestellt sein. Neubauten der AVG entstehen innerhalb des KVV-Verbundgebietes in Menzingen, wo ein Betriebshof errichtet wird, und außerhalb des Verbundgebietes in Freudenstadt: Dort gibt es bald eine neue Abstellhalle. Im KVV-Gebiet tut sich manches: Der von der S9 bediente Haltepunkt Helmsheim wird barrierefrei ausgebaut. Auch wird es bald einen zweigleisigen Betrieb zwischen Reichenbach und Langensteinbach geben. Am Haltepunkt Malsch-Muggensturm werden die Bahnsteige erneuert und zum barrierefreien Zugang der Bahnen auf 55 Zentimeter erhöht. Gleiches gilt im Bahnhof Eppingen im Zusammenhang mit der S-Bahn RheinNeckar. Die S5, die bis jetzt in Wörth endet, wird Ende 2010 aus dem Verbundgebiet hinaus bis nach Germersheim fahren. Und auch die Planungen für die von der AVG befahrene Strecke Freudenstadt — Eutingen kommen gut voran. Hier werden ab 2009/2010 fünf neue Haltepunkte gebaut und bereits bestehende ebenfalls für den barrierefreien Zugang der Bahnen hergerichtet.
Die Kombilösung nähert sich immer mehr dem für Ende 2009 geplanten Baubeginn. Derzeit steht noch der Planfeststellungsbeschluss für die Untertunnelung der Kaiserstraße aus. Der Gemeinderat hat im März den Satzungsbeschluss für den Umbau der Kriegsstraße gefasst, so dass hier schon grünes Licht besteht. Der Gemeinderat wird zeitnah noch darüber beschließen, ob die Kaiserstraße oder die Kriegsstraße als erstes der beiden Teilprojekte in die Realität umgesetzt wird. Wir gehen davon aus, dass die Bewilligung der finanziellen Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) noch im ersten Halbjahr dieses Jahres bei uns eintrifft.
Selbstverständlich favorisiere ich das Modell „Kaiserstraße zuerst“. Meine Einschätzung gründet sich dabei auf das auch den Gemeinderäten vorgelegte Gutachten der ptv, das den größten verkehrlichen Nutzen bei der Umsetzung der Kombilösung dann sieht, wenn zuerst der Straßenbahntunnel unter der Kaiserstraße fertig gestellt wird. Technisch betrachtet sind beide Varianten denkbar. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass die Variante „Kriegsstraße zuerst“ betrieblich deutliche Mehrkosten bringen wird. Und: Die mit dem Bau der Kombilösung angestrebte Entlastung der Kaiserstraße von den durch sie hindurch fahrenden Bahnen wird bei der Variante „Kriegsstraße zuerst“ zeitlich nach hinten hinausgeschoben. Für den Straßenbahntunnel wäre wegen des Stadtgeburtstags 2015 erst im Jahr danach Baubeginn und Fertigstellung erst 2022, also sechs Jahre später als bei „Kaiserstraße zuerst“.
Die öffentliche Hand hat bestimmte Zuschüsse und Ausgleichszahlungen in den letzten Jahren verringert. Die Entwicklung in der Zukunft vorauszusagen ist nicht einfach, denn trotz momentan guter Konjunktur bemüht sich die öffentliche Hand um Einsparungen. Insofern sollen die Defizite der kommunalen Verkehrsunternehmen natürlich weiter sinken. Daher sind wir bemüht, den Anteil der Fahrgeldeinnahmen an den Gesamteinnahmen steigen zu lassen. Auch werden die Preise für Energie, die die Verkehrsunternehmen belasten, in Zukunft steigen. Verkehrsunternehmen bzw. Verkehrsverbünde werden daher wie andere Unternehmen und Dienstleister auch in den nächsten Jahren die Fahrpreise moderat und angepasst an die Teuerungsrate erhöhen.
Ja, insbesondere im Regionalverkehr bzw. im ländlichen Raum muss man auch einmal an ein Ausdünnen des Fahrplans denken, was aber nicht unbedingt zu Lasten der Kunden gehen muss. Wenn die Nachfrage an einer Stelle sinkt, so sind bspw. statt großer Linienbusse Umstellungen auf Anruflinientaxis denkbar. Im Schienenverkehr kam es durch Abbestellungen des Landes Baden-Württemberg bei der DB während der Ferien 2006 schon zu Angebotsverringerungen, die aber tw. wieder aufgehoben oder zumindest nachträglich wieder eingeschränkt wurden. Für den KVV sind wir jedoch optimistisch, derartige Einschnitte weiterhin nicht durchführen zu müssen. Ganz im Gegenteil denken wir auch darüber nach, neue Kunden durch die angebotsorientierte Einführung neuer Leistungen dauerhaft gewinnen zu können.
Im August werden in der Karlsruher Fußgängerzone nicht nur wieder Gleise erneuert und der Fahrweg saniert, sondern in einem Zug auch die Haltestelle Herrenstraße in ihrer kompletten Länge barrierefrei ausgebaut. Voraussichtlich ab nächstem Jahr erfolgt dann nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten der schrittweise Umbau der Haltestelle auf dem Karlsruher Bahnhofsvorplatz. Diese Baumaßnahme ist mit der Bahn und der Stadt Karlsruhe abgestimmt worden. Allerdings müssen für derartige Projekte auch die Mittel bereitgestellt werden.
Der KVV hat zum Jahresbeginn in den Abend- und Nachtstunden das Prüfpersonal verdoppelt. Um das Sicherheitsgefühl unserer Fahrgäste zu erhöhen, werden wir ab Mai vor allem an den Wochenenden die Präsenz von Prüf- und Aufsichtspersonal nicht nur in den Fahrzeugen sondern auch an den Haltestellen ausweiten. Mit dem Polizeipräsidium Karlsruhe hat der KVV bereits im März ein erfolgreiches Projekt gestartet. Polizeibeamte und Prüfer werden gemeinsam in regelmäßigen Abständen insbesondere an Wochenenden Kontrollen durchführen. Bei allen Aktionen stehen nicht allein die "Schwarzfahrer" im Vordergrund, sondern auch das Sicherheitsempfinden unserer Fahrgäste. Polizei und Prüfer werden ganz besonders ihr Augenmerk auf solche Fahrgäste richten, die die Fahrzeuge verschmutzen und sich nicht an die Bestimmungen (beispielsweise Rauchen, Alkohol, Füße auf den Sitzen und laute Musik) halten. Mit der Bundespolizei sind solche Aktionen auch in der Region geplant.
Unserer Fahrgäste werden höflich, aber auch bestimmt auf die neuen Bestimmungen hingewiesen. Nach einer Eingewöhnungsphase, wenn alle Fahrzeuge mit Piktogrammen ausgestattet sind, werden die Prüfer es nicht nur bei einem Hinweis belassen. Uneinsichtige Fahrgäste werden dann auch aus dem Fahrzeug verwiesen.
Dank der sehr guten Fahrgastnachfrage haben wir auf den meisten Innenstadtabschnitten eine sehr dichte Fahrzeugfolge der Bahnen - und in vielen Fällen operieren wir an der Obergrenze der Leistungsfähigkeit der betroffenen Knoten und Haltestellen. Dennoch sind wir in engem Kontakt mit dem Straßenbaulastträger, dem Tiefbauamt, um Verbesserungen für den ÖPNV an den Lichtsignalanlagen zu erreichen. Ferner überprüfen wir laufend unsere Fahrplanzeiten, um realisierbare Vorgaben zu haben. Allerdings muss man hier sehr vorsichtig agieren, denn zu großzügige Fahrzeiten können auch zu Verfrühungen führen, was für den Kunden in der Regel noch kritischer ist als Verspätungen. Drittens haben wir in diesem Jahr auch eine große Anzahl von Baumaßnahmen, die sicher auch die Stabilität des Betriebs beeinträchtigen. Allerdings sind diese Maßnahmen wichtig, um das Netz in einem guten Betriebszustand zu erhalten oder sogar die Kapazität und damit letztlich die Pünktlichkeit zu verbessern, wie zum Beispiel zur Zeit der Ausbau der Haltestelle Schillerstraße für die Linie 1.
Wir denken, dass wir in diesem Bereich in den letzten Jahren einen gewissen Stand erreicht haben. Damit sind wir aber noch nicht zufrieden. Wir werden ein neues rechnergestütztes Betriebsleitsystem einführen. In der Leitstelle wird eine neue Software in Betrieb genommen, welche die Bedienung der Sonder- und Infotexte an den Fahrgastanzeigern deutlich verbessert. Dies wird gerade bei Betriebsstörungen oder Baustellen den Kunden sehr zugute kommen. Mit dem Umzug in die neue zentrale Leitstelle von VBK und AVG im Jahre 2009 wird sich dieser Bereich nochmals verbessern, da dort auch spezielle Arbeitsplätze für die Fahrgastinformation vorgesehen sind.
Derzeit ist das Servicetelefon mit sechs Arbeitsplätzen voll besetzt. Die Qualität der Dienstleistung wird laufend gemessen und für in Ordnung befunden. Kunden können uns von 7 Uhr bis 19 Uhr erreichen. Allerdings ist dabei klar, dass die Servicehotline bei Belastungsspitzen nicht von allen anrufenden Kunden gleichzeitig erreicht werden kann. Abends, nachts und in der Frühe werden unsere Kunden direkt an die landesweite Fahrplanauskunft weitergeleitet.
Der KVV steht in Kontakt mit dem benachbarten VRN, der die Verhandlungen zu den Kombiangeboten mit der SNCF führt. Wir haben uns bereits in Absprache mit dem VRN um eine Einbeziehung des KVV in das Kombi-Angebot Elsass-Ticket bemüht. Die SNCF hat jedoch derzeit bereits Kapazitätsprobleme (überfüllte Züge) und möchte die ohnehin schon starke Nachfrage an den Wochenenden nicht durch neue Sonderangebote oder Preisanreize verstärken. Der Karlsruher Verkehrsverbund wird aber einen direkten Kontakt zur SNCF aufbauen, um auch zusammen mit dem französischen Teil der anderen Rheinseite attraktive Angebote zu schaffen.
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 2/08
Stand des Artikels: 2008! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.