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Honigbienen faszinieren und sind in großer Gefahr. Hier die Besiedelung einer Klotzbeute durch einen Schwarm; Foto: M. Däschner |
Foto: Rainer Romer |
Vor 30 Jahren wurde der Sommerausflug mit Papas Auto von der Natur mit Hunderten von Insekten auf der Windschutzscheibe quittiert. Heute? NICHTS! Warum? Die sind ALLE WEG! Fehlen die bestäubenden Insekten, dann fehlen irgendwann auch die zu bestäubenden Pflanzen und machen selbst- oder windbestäubenden Pflanzen Platz. Mit entsprechenden Folgen für Allergiker. Nach den Insekten kommen übrigens die Singvögel dran ...
Woran liegt das? Die agrochemische Industrie ist sich weitgehend einig über die Ursachen des vielerorts feststellbaren Insektensterbens. Es werden Landschaftsveränderungen aufgeführt, etwa das Verschwinden von Hecken, Wiesen, Waldrainen, Büschen usw. Recht hat sie, die agrochemische Industrie. Wenn unsere Generation Golf begriffe, dass sie sich mit ihren Steingärten, ihren abusiven ‚Ich-Will-Alles-Und-Noch-Viel-Mehr‘-Einstellungen keinen Deut von der altvorderen Asbest- und Atomstrom-Anbeter-Generation unterscheidet. Alles, was unsere Väter gelegentlich an Flurschäden angerichtet haben, zerstören wir heute mit wissenschaftlicher Akribie. Weiterhin wird in dieser Gilde gerne mit dem Klimawandel als Ursache für das Insektensterben argumentiert. Das Treibhausgas Nr. 1 ist jedoch nicht etwa CO2. Aber mit dem CO2-Handel lässt sich ja eine Menge Geld verdienen. Gravierender wirken sich hier z. B. die von Menschenhand gemachte Wolkenbildung über unseren Flugverkehr aus. Aber wer möchte schon dieses goldene Lamm schlachten? ... und Methangas, ausgestoßen von Abermillionen Kühen weltweit. EU-Agrarkommissar Phil Hogan hatte ja zuletzt angekündigt, 15 Mio. € locker zu machen für eine Werbekampagne, die uns Europäern den Fleischkonsum wieder schmackhafter machen soll.
Die tatsächlich größte Bedrohung für die Insektenvielfalt ist jedoch der Einsatz von systemischen Giften, eingesetzt zum Beispiel in der Landwirtschaft — und damit die agrochemische Industrie selbst. Man findet diese Gifte aber auch in Zeckenschutzmitteln für Haustiere, die vom wenig geschulten Verbraucher oft bedenkenlos eingesetzt werden. Verhängnisvoller Leichtsinn, insbesondere wenn auch noch Kinder mit an Bord sind. Die Hauptgruppe dieser Gifte sind die sogenannten Neonikotinoide, die als Kontakt- und Fraßgift wirken. Es gibt eine Menge Studien, die die Giftigkeit dieser Stoffe für Insekten belegen. Whitehorn veröffentlichte in der Zeitschrift SCIENCE zum Beispiel 2012, dass die ökologisch relevante Dosierungen die Anzahl der Königinnen bei Hummeln um 85 % senkt. Weitere Studien von Schneider oder Krupke in 2012 in der Online-Zeitschrift PLOS ONE zeigen in RFID-Tracking-Versuchen, dass die Orientierungsleistung von Honigbienen bereits bei wenigen Nanogramm-Gaben erheblich absinkt, die Tiere finden nicht mehr in den Stock zurück. Dies sind keine direkt tödlichen Effekte, sondern subletale, die im Ergebnis aber zu nichts anderem führen als zum Tod der Insekten. Es wird ebenso gezeigt, dass die Bienen die Gifte im Stock anreichern, wenn sie belasteten Pollen oder Nektar sammeln. Der Tod der Völker tritt dann nicht direkt ein, sondern erst im Winter, wenn die additive Vergiftung der Insektenvölker verschiedene Funktionen im Volk beeinträchtigt. Krupke zeigt auch, dass das Neonikotinoid Clothianidin, welches als Beiz-Insektizid auf Maiskörnern Verwendung findet, auch von Bienen in den Stock getragen wird, die den Mais gar nicht angeflogen hatten, sondern den Löwenzahn daneben auf der Wiese. Das Gift wandert also entweder über das Wurzelsystem oder aber über die Luft von Pflanze zu Pflanze.
Zu allem Unglück nehmen Bienen im Feldversuch Futtergaben lieber auf, die Neonics enthalten, als nicht verunreinigte. Weil nun aber Clothianidin für die herstellenden Firmen zu den gewinnträchtigsten Portfolioprodukten gehört, wollen diese alles daran setzen, dass diese Geldeinnahmequelle nicht versiegt. Bayer verkauft ihr Clothianidin unter dem Namen ‚PONCHO‘. Bereits 2008 war es in der Rheinschiene zum Verlust von Tausenden von Bienenvölkern durch PONCHO gekommen, der Konzern hatte damals 2 Mio. € Entschädigung bezahlt. Die Giftigkeit von PONCHO ist etwa 6000x höher als die von DDT. Clothianidin hat der US-Umwelt-Agentur EPA zufolge eine Halbwertszeit von bis zu 1155 Tagen. Andere Neonikotinoide haben Lebensdauern von bis zu 19 Jahren. Werden uns unsere Kinder hierfür eines Tages aus dem Grab holen? Die Stoffe, in die Clothianidin anschließend zerfällt, sind leider nicht weniger gefährlich.
Die Störungen, die Neonikotinoide bei den Insekten verursachen, sind vielfältig, und leider, wenn überhaupt, dann nur bei den Honigbienen wenigstens ansatzweise erforscht. Bereits ab 21 Nanogramm pro Biene wird im Bienenorganismus ein Steuerungsprotein beeinflusst, welches für die hohen Immunkräfte dieser Tiere verantwortlich ist. Hierdurch wird verständlich, warum heute bereits mit einer Belastung von 500 —1000 Varroamilben/Volk eine ganz erhebliche Todesgefahr einhergeht, wohingegen vor 30 Jahren, als dieser Parasit von deutschen Wissenschaftlern versehentlich freigelassen wurde, ein Bienenvolk erst ab einer Belastung von ca. 2000 Milben/Volk als belastet angesehen wurde. Die Varroamilbe überträgt durch ihren Biss eine ganze Menge von Krankheitserregern in den Bienenorganismus. Eine Biene vor 30 Jahren konnte sich hiergegen erfolgreich zur Wehr setzen. Die Bienen im heutigen Europa sind durch die Neonikotinoid-Belastungen jedoch derart geschwächt, dass viele Krankheiten zum Tod des Volkes führen.
Rainer Romer
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 2/17
Stand des Artikels: 2017! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.