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Jetzt im Herbst ist wieder die Zeit der Verbrauchermessen, wie in Karlsruhe der Offerta. Dort findet man neben vielerlei mehr oder weniger Nützlichem immer wieder auch geheimnisvolle Gegenstände, die auf umweltfreundliche Weise ganz ohne Energieeinsatz geradezu Wunderdinge bewirken sollen. Der naturwissenschaftlich gebildete Kunde ist erstaunt: Sollte da jemand tatsächlich bahnbrechende Entdeckungen gemacht haben, die die Wissenschaft bisher übersehen hat? Oder besteht das Wunder vielleicht eher darin, dass sich auf geheimnisvolle Weise der Geldbeutel des Kunden leert und der des Verkäufers füllt?
Schauen wir uns zwei typische Beispiele genauer an. Aus rechtlichen Gründen sind die folgenden Zitate gegenüber den Originalen abgeändert. Der Autor erklärt außerdem ausdrücklich, dass er keinesfalls bestreitet, dass die besprochenen Gegenstände wirklich wirken könnten. Er hat allerdings gewisse Zweifel an den angegebenen Wirkungsmechanismen.
Magnetische Kräfte sind für viele Menschen noch immer geheimnisvoll und rheumatische Schmerzbeschwerden hat fast jeder. Was liegt also näher, als beides zusammen zu bringen:
“Lassen Sie die natürliche Kraft der Magnete wirken! Die Massagestifte erzeugen starke fokussierte Magnetfelder. Setzen Sie die Massagestifte mit leichtem Druck auf die Haut auf, dort, wo Sie das Gefühl haben, dass es Ihnen gut tut: Am Nacken, Schulter, Rücken, oder an Gelenken wie den Ellenbogen oder den Knien.”
Und wie wirken die Massagestifte dann? Wir lesen:
“Wer sich Magnete auf die Haut legt, verspürt an diesen Stellen schon bald eine deutliche Erwärmung. Ursache dafür ist der sogenannte Hall-Effekt, der aufgrund der magnetischen Wechselpolfelder Wärme freisetzt.”
Den Hall-Effekt gibt es wirklich. Er besagt, dass Ladungsträger, die sich durch ein Magnetfeld bewegen, zur Seite abgelenkt werden, so dass quer zur Bewegungsrichtung eine elektrische Spannung entsteht. Nur gibt es bei einem ruhig auf der Haut liegenden Magnet keine bewegten Ladungsträger und damit auch keinen Hall-Effekt. Für eine Erwärmung müsste ja auch auf irgendeine Weise Energie hinzugeführt werden, was ein auf der Haut liegender Magnet aber nicht tut. Wenn man durch Magnetkräfte wirklich eine Erwärmung hervorrufen will, braucht man elektrisch erzeugte, induktiv wirkende starke Wechselfelder. Entsprechende Geräte sind aber für Privatkunden viel zu groß und zu teuer und deshalb nur in Arztpraxen zu finden.
Wirken die Massagestifte aber vielleicht trotzdem, nur auf andere Weise?
Wer sich die Stifte auf die Haut setzt und sich auf die erwartete Wirkung konzentriert, wird wahrscheinlich tatsächlich eine Erwärmung verspüren. Eine Berührung der Haut führt nämlich zu einer gesteigerten Durchblutung an dieser Stelle, auch ganz ohne Magnetkräfte, insbesondere dann, wenn man sich auch in Gedanken auf diese Stelle konzentriert. Wer in autogenem Training geübt ist, dem reicht sogar bereits die Vorstellung einer Berührung. Wer diese Vorstellungskraft nicht aufbringen kann, sondern dazu ein Hilfsmittel braucht, mag sich immerhin die Massagestifte für 350 Euro kaufen.
Die in letzter Zeit gestiegenen Benzinkosten machen den folgenden Gegenstand hoch interessant für alle Autofahrer. Natürlich könnte man Benzin auch sparen, indem man mit der Straßenbahn oder mit dem Fahrrad fährt. Aber es geht angeblich auch einfacher:
“Der Energie-Ring wird auf den Zapfhahn geschoben und dann durch den Ring hindurch getankt. Danach werden Sie ein ruhigeres Fahrverhalten und eine stärkere Leistung Ihres Autos feststellen. Außerdem reduziert sich der Kraftstoffverbrauch um 15 %, ein wichtiger Beitrag zur Umweltentlastung.”
Und wie kommt diese verblüffende Wirkung zustande? Wir lesen:
“Durch eine Lasertechnik werden dem Energie-Ring ultrafeine Frequenzmuster als Quantenschwingungen aufmoduliert. Der Energie-Ring besteht aus einem hochwertigen Quarzmaterial, welches als Informationsspeicher dient und in der Lage ist, diese Schwingungen unbegrenzt zu speichern und wieder abzugeben. Die Schwingungen werden umgewandelt an die Umgebung abgegeben und bewirken eine positive Veränderung des Kraftstoffs.”
Quanten nennt man die kleinsten in der Physik vorkommenden Energieeinheiten. Charakteristisch für Quanten ist, dass man ihr Verhalten grundsätzlich nicht exakt, sondern nur durch statistische Mathematik beschreiben kann. Wegen dieser Eigenschaft der Quanten wäre es geradezu sensationell, wenn man wirklich, wie behauptet, in einem Quarzmaterial geordnete “Quantenschwingungs-Muster” erzeugen könnte. Erst recht, wenn diese dann auch noch unbegrenzt gespeichert und wieder abgegeben werden sollen, wo doch in der Physik ansonsten alles begrenzt und endlich ist.
Und selbst wenn dies alles so wäre, wie kommen die Quantenschwingungen dann vom Energie-Ring ins Benzin? Sie müßten ja erst noch durch das Metall des Zapfhahns! Aber da die Quantenschwingungen es mit den Gesetzen der Physik ohnehin nicht so genau nehmen, überwinden sie dieses Hindernis sicherlich mit Leichtigkeit. Vielleicht finden die Quantenschwingungen dann auch noch den Weg über das Gaspedal zum Fahrer und verhelfen diesem zu mehr Lebensenergie und Gesundheit?
Wäre es aber möglich, dass die Energie-Ringe trotzdem wirken? Im Prospekt lesen wir nämlich folgenden aufschlussreichen Hinweis:
“Durch den behandelten Kraftstoff ergibt sich eine Leistungssteigerung des Motors, die zu einem sportlicheren Fahrverhalten verführt. Dadurch könnte ein Teil der Wirkung des Energie-Rings wieder aufgehoben werden. Aus diesem Grund sollte weiterhin ruhig und gleichmäßig gefahren werden.”
Aha! Man soll also darauf achten, ruhig und gleichmäßig zu fahren. Dann spart man allerdings Benzin und schont den Motor, auch ohne Energie-Ring. Wer sich zu dieser schonenden Fahrweise allein aus Vernunftgründen nicht durchringen kann, mag sich als psychologische Hilfe den Energie-Ring für 130 Euro kaufen.
Zum Schluss noch ein wichtiger Sicherheitshinweis zum Schutze des Autors: Wenn Sie auf einer Messe auf einen Stand treffen, der einen der besprochenen Gegenstände oder andere verdächtige Wunderdinge anbietet, und sie mit den Anbietern ins Gespräch kommen, erwähnen Sie bitte niemals diesen Artikel! Die Anbieter haben nämlich wenig Humor, wenn es um ihren Geldverdienst geht.
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 3/05
Stand des Artikels: 2005! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.