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EU-Milchsee schadet Mensch und Tier

Natürliche Tierhaltung, auch noch mit der ganz natürlichen Milchverwendung durch das Kalb; Fotos: Hans Seiler
Extensive Viehhaltung, wo Ackerbau schwierig wäre.

Viele von uns Älteren können sich noch an die Butterberge der damaligen EG (Vorgänger der EU) in den Siebziger Jahren erinnern.

Ähnliches passiert inzwischen mit der Milch. Aufgrund der völlig überhöhten EU-Landwirtschaftsförderung (nur „big is beautiful“) und zu niedrigen Erzeugerpreisen gibt es viel zu viel Milch auf dem Markt. Leider endete 2015 die von der EU vor 30 Jahren eingeführte Milchquote. Dadurch drängten Billiganbieter in den Markt und die Preise fielen aufgrund des Überangebots noch weiter. Fast 2.000 Milchbauern mussten ihre Betriebe aufgeben. Einige haben sich sogar das Leben genommen.

Statt die Produktion zu senken wird, sobald die Preise unter ein bestimmtes Niveau fallen, die überschüssige Milch zu Magermilchpulver verarbeitet. Dafür hat man EU-weit sogenannte Interventionslager mit einer Obergrenze von 109.000 t angelegt, die seit 2016 erreicht ist. Allein in Deutschland liegen davon 19.000 t an drei Standorten.

Ende 2016 hat die EU-Kommission entschieden, 22.000 t eingelagertes Milchpulver wieder auf den Markt zu bringen. Diese Menge bleibt allerdings nur zu einem geringen Teil in der EU — davon 90 Prozent als Tierfutter.

Der größte Teil wird ins Ausland, vorwiegend nach Afrika, verkauft und zerstört dort die einheimischen Märkte. Leider wird das Milchpulver zum Teil auch zu minderwertigen Fertigprodukten (z. B. Joghurt) für den Export verarbeitet. Die afrikanischen Kleinbauern können mit den Billigpreisen der EU-Produkte logischerweise nicht mithalten und auf den dortigen Märkten fast nichts mehr verkaufen. Die Versuche und Ansätze, eine eigene kostengünstige Wertschöpfungskette aufzubauen, bleiben oft schon in den Ansätzen stecken, weil das Geld für die zu errichtenden Gebäude fehlt. Eine Förderung durch die dortigen, meist korrupten Regierungen findet leider auch nicht statt.

Wie sieht die Situation für die Bauern in Deutschland aus?

Aussage eines Bauern, der sich an die Vorgaben der Bauernverbände gehalten hat und den elterlichen Stall von 160 Kühen auf einen vollautomatischen, computerüberwachten High-Tech-Betrieb mit 450 Tieren umgestellt hat: „Ich sehe meine Kühe nur noch selten am Tag, da ich alles überwachen muss. Wenn ich an das Leben mit dem alten Stall zurückdenke, werde ich schon manchmal melancholisch. Die Arbeit fand ich früher nicht besser — viel mehr Handarbeit und Schmutz, aber man hatte mehr Ruhe, Zeit und konnte besser schlafen. Der Betrieb ist jetzt finanziell viel anfälliger wie früher. Ich habe große Sorge, ob wir das, was wir uns da aufgehalst haben, schaffen. Man kommt sehr schnell in einen Schuldenberg, den die Kinder erben werden. Diese Belastung spürt man deutlich.“ Und aus Effizienzgründen noch weiter wachsen will er auf keinen Fall, denn sonst wächst auch der Druck und er ist eben keine Maschine.

Aspekt Tierschutz

Nach dem Gesetz sollten die Tiere gepflegt und artgerecht „untergebracht“ werden. Das bedeutet: In Gruppen leben, da sie sehr gesellige und soziale Tiere sind. Kälber werden in der Natur nach der Geburt fürsorglich versorgt und beschützt. Auch andere Kühe in der Herde sind daran beteiligt und eingebunden.

Die Realität im Stall: Das Kälbchen wird nach der Geburt von der Mutter getrennt und muss einsam in einer getrennten Box aufwachsen, bekommt leider nicht die Milch der Mutter, sondern sogenannten „Milchaustauscher“, einen billigen Milchersatz, bestehend aus Milchpulver und Molkeneiweißkonzentrat oder Molkenpulver, später auch pflanzliche Proteine, wie Soja. Vom Gesetzgeber ist lediglich innerhalb der ersten vier Lebensstunden die sogenannte Biestmilch, eine besonders fett- und nährstoffreiche Milch der Mutterkuh, vorgeschrieben.

Milchkühe, die von Natur aus nur während der Kälbchenaufzucht Milch geben (!!!), werden quasi dauerträchtig gehalten, um als Hochleistungskühe 5—6 Jahre durchzuhalten. Danach ist das Ende im wahrsten Sinne des Wortes vorprogrammiert.

Der Anteil von Bio-Milch liegt bundesweit nur bei 2,5 Prozent und gerade diese könnte zur Verbesserung der Lage beitragen, weil es den „Bio-Kühen“ besser geht.

Fazit: Ohne angemessene Preise für Produkte vom Land werden dort immer mehr Menschen ihre Existenz verlieren. Wie krank das „System Milch“ ist, zeigt ein gleichnamiger Film, der momentan in einigen Kinos gezeigt wird: Szene in der Biogasanlage eines Milchvieh-Großbetriebs in Donzdorf: „Die Rindergülle läuft jetzt einfach durch die Anlage durch und produziert so Gas und somit auch Strom. Mit der Gülle verdienen wir jetzt mehr Geld, als mit der Milch.“

Was können wir tun? Wir sind die Konsumenten! Bitte nur noch Milch kaufen, die mindestens ein Euro kostet! Es muss nicht gleich Demeter-Milch aus dem Bioladen sein. Aktuelle Tests (www.test.de) zeigen, dass man bei Bio-Milch oder fairer Milch am wenigsten falsch machen kann. Man sollte sich aber über die Besonderheiten informieren. Die zwei bekanntesten Siegel sind „Die faire Milch“ und „Sternenfair“.

Ich lasse übrigens das Argument nicht gelten, dass sich ärmere Familien teure Milch nicht leisten können, weil wir Milch als Hauptnahrungsmittel gar nicht benötigen. Aus der veganen Ernährung, die auf Kuhmilchprodukte völlig verzichtet, ist inzwischen allgemein bekannt, dass keine Nachteile wie etwa Kalziummangel auftreten. Ich selbst trinke wegen einer (echten) Laktose-Intoleranz seit vielen Jahren keine Milch mehr — ohne gesundheitliche Nachteile.

Hans Seiler

Infos:
Quarks Di, 26.9.17, 21:00 WDR: Turbokühe — Was ist gut für Mensch und Tier?
Das System Milch: dassystemmilch.de

Bücher:
Milch besser nicht, Maria Rollinger, 350 Seiten, JOU-Verlag
Milch — vom Mythos zur Massenware, Andrea Fink-Kessler, 288 Seiten, oekom verlag
Der Murks mit der Milch, Max O. Bruker, 248 S., emu-Verlags- und Vertriebsgesellschaft

Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 3/17

Stand des Artikels: 2017! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

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