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Das neue Fahrpreissystem der Deutschen Bahn ist nun schon ein Vierteljahr in Kraft und trotzdem gehen die Wogen der Beurteilung noch immer ziemlich hoch. In der Presse sind einerseits viele kritische Berichte zu lesen und andererseits gibt es vollmundige Werbung der DB und von Schlagabtausch geprägte Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegner des neuen Preissystems. Im folgenden möchte ich einmal versuchen, die Vor- und Nachteile des neuen Systems darzustellen: Ziel der Reform war der Versuch, den existierenden Tarifdschungel zu lichten, ein für jedermann verständliches und übersichtliches Preissystem zu schaffen, bei dem der Kunde durch Planung und Nutzung von Rabattmöglichkeiten erhebliche Einsparpotenziale erreichen sollte. Weiteres Ziel war, die Bahn in der direkten Konkurrenz zum Flugzeug zu stärken und dazu ein schon im Flugverkehr erprobtes und bewährtes System von Frühbucherrabatten zu benutzen, das nebenbei auch noch erlaubt, die Kapazitäten der einzelnen Züge optimal auszunutzen und so wirtschaftlicher zu arbeiten. Außerdem wollte man die Fahrt für Gruppen und Familien erheblich verbilligen und somit diesen Kundenkreis verstärkt ansprechen.
Bei der tatsächlichen Umsetzung hat sich das ganze dann aber doch nicht als so schön und einfach herausgestellt, wie es geplant war. Der alte, undurchsichtige Tarifdschungel ist zwar weg, dafür ist ein mindestens ebenso undurchsichtiger Dschungel neu entstanden. Das führt dazu, dass es für ein und dieselbe Strecke viele unterschiedliche Preise geben kann, insbesondere wenn dabei umgestiegen werden muss! Je nach benutzter Zugart (ICE, IC, RB usw.) und der mit der jeweiligen Zugart zurückgelegten Strecke und der einsetzbaren Rabattmöglichkeiten weichen diese Preise manchmal erheblich voneinander ab. Dazu kommt noch das Problem, dass man sich auf einen bestimmten Zug festlegen muss, um überhaupt in den Genuß von Rabatten zu kommen, was Bahnfahren wesentlich unflexibler macht als bisher. Wenn dann auch noch ein Zug verpasst wird, fallen Stornogebühren und Aufpreise an. Außerdem ist die Zahl der Plätze, die man mit dem "Plan-und Spar-Rabatt" buchen kann begrenzt, sodass man schnell doch wieder den normalen Fahrpreis zahlen muß. Kleingruppen und Familien fahren jetzt tatsächlich billiger als bisher! Und lange Strecken sind auch für Einzelreisende billiger geworden; vor allem bei Ausschöpfung aller Rabattmöglichkeiten. Die neue Bahncard ist zwar beim Kauf billiger als die alte, bietet aber auch nur noch halb soviel Ermäßigung. Mittlere und kürzere Strecken führen heute leider zu höheren Reisepreisen, da durch den Wegfall der InterRegio-Züge und häufig deren Ersatz durch InterCity die Grundpreise stark erhöht wurden. Dieses trifft insbesondere auf Fernpendler zu.
In den letzten Monaten hat sich gezeigt, dass viele Fahrgäste verunsichert auf die neuen Tarife reagieren und auch viele Mitarbeiter in den Reisezentren an den Bahnhöfen mit der neuen Situation überfordert sind. Das führt zu langen Schlangen an den Schaltern, zu langen Wartezeiten und zu entsprechendem Unmut der Kunden. Zusammenfassend kann man sagen, dass das neue Tarifsystem leider mehr Nachteile als Vorteile bietet. Die gut gemeinten Veränderungen führen eventuell zu einer besseren Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Flugverkehr und sprechen vielleicht auch bisher vernachlässigte Kundenkreise an, aber andererseits geht ein wichtiger Punkt im Vergleich zum Hauptkonkurrenten Auto leider ganz verloren: die Flexibilität! Selbst wenn man den vollen Fahrpreis zahlt, kann man die Karte nicht einfach kaufen und dann flexibel nutzen. Man kauft sie für eine bestimmte Zugverbindung. Das neue Fahrpreissystem erschließt zum Teil neue Kundenkreise, vergrault aber einen großen Teil der bisherigen Kundschaft. Und Änderungen hat die Bahn erst nach frühestens einem Jahr versprochen!
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 1/03
Stand des Artikels: 2003! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.