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Wohnmobilpromenade

„Wohnmobilpromenade“, die frühere „Nördliche Hildapromenade“  Fotos: Reiner Neises
Aus der Not eine Tugend gemacht: Zum Wohnmobil umfunktioniertes altes Feuerwehrauto hat die Karte jetzt hinter der Windschutzscheibe und wirbt für den VCD.

Wer in den letzten Monaten in Karlsruhe den Abschnitt der Nördlichen Hildapromenade, der gerade nicht umgebaut wird, entlang gelaufen ist, konnte schon den Gedanken haben, man solle sie vielleicht besser in „Wohnmobilpromenade“ umbenennen. Da reiht sich Wohnmobil an Wohnmobil am Straßenrand und eine Vielzahl ähnlich großer Fahrzeuge, bei denen nur zu vermuten ist, dass sie auch als Wohnmobil genutzt werden. Wird der durchschnittliche Pkw nur eine Stunde am Tag genutzt und ist daher eher ein Stehzeug als ein Fahrzeug, gilt das für diese Gefährte erst recht.

Irgendjemand hat die Wohnmobile und andere große Fahrzeuge in der Karlsruher Weststadt zur Zielscheibe genommen, um sie mit den vom örtlichen VCD gedruckten Aktionskarten mit der Aufschrift „Klimakiller“ zu versehen (s. u&v 1/23, S. 16). Die deutliche Botschaft löst Diskussionen aus. Und natürlich hat jeder, so ihm nicht sowieso alles andere als das eigene Ego egal ist, eine andere Ausrede parat. So bekamen wir auch mehrfach böse Zuschriften, die die ins Visier gekommenen Wohnmobile verteidigen. Da seien Oldtimer mit H-Kennzeichen dabei, sie würden so gut wie nie gefahren und außerdem sei es doch besser, mit dem Wohnmobil in den Schwarzwald zu fahren, als irgendwo in ferne Gefilde zu fliegen.

Klar, wenn jemand ein altes Feuerwehrauto zum Wohnmobil umfunktioniert und dann weiter nutzt, kann man schon hinterfragen, ob die manchmal vielleicht auch etwas undifferenziert verteilte Aktionskarte berechtigt ist. Wir wissen nicht, wer sie verteilt und nach welchen Kriterien er oder sie entscheidet. So selten bewegt, wie die Protagonisten des Wohnmobils uns glauben machen wollen, werden die mobilen Unterkünfte allerdings häufig nicht. Denn am Wochenende, wenn an der Hildapromenade keine Konkurrenz zu den Beschäftigten der Umgebung besteht, kommt Bewegung in die Szene. Dieselben Fahrzeuge stehen dann meist wenige Meter versetzt am Montag wieder da.

Und auch sonst ist das Wohnmobil nicht das umweltfreundliche und bedenkenlose Verkehrsmittel. Wohnmobile sind wesentlich größer und aufwändiger als ein einfacher Pkw und haben daher schon bei der Produktion eine deutlich schlechtere Klimabilanz. Aufgrund ihrer Größe nehmen sie regelmäßig eine größere Stellfläche ein und tragen so verstärkt zur Versiegelung und damit auch gleichzeitig zum Klimawandel und zum Artensterben bei. Bei den Wohnmobilen, die nur selten bewegt werden, dürfte es sich zu einem Großteil um Zweitfahrzeuge handeln, was die Klima-, Umwelt- und Versiegelungsbilanz noch einmal deutlich verschlechtert. Hat ein Haushalt ausnahmsweise nur ein Wohnmobil als einziges motorisiertes Fahrzeug, ist regelmäßig davon auszugehen, dass es auch mehr bewegt wird. Der Verbrauch und die Klimabilanz werden dabei stets schlechter sein als bei einem einfachen Pkw. Und so ganz nebenbei nehmen sie Stellplätze für die weg, die vielleicht tatsächlich auf ein Kfz angewiesen sind.

Eine unrühmliche Rolle spielen Wohnmobile auch im Dieselskandal. Unzählige Wohnmobile haben als Basisfahrzeug einen Fiat Ducato. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), das in Deutschland für die Typgenehmigung von Fahrzeugen zuständig und nicht gerade bekannt dafür ist, mit der Automobilindustrie besonders kritisch umzugehen, hat 2016 und 2018 im Fiat Ducato unzulässige Abschalteinrichtungen entdeckt. Die europäischen Bestimmungen enthalten zwar klare Vorgaben, dass Vorrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, nur ausnahmsweise zulässig sind, wenn sie erforderlich sind, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen oder um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Da dies allerdings nur in einem Prüfzyklus (NEFZ) von knapp 20 Minuten auf dem Prüfstand unter völlig unrealistischen Bedingungen getestet wurde, bestanden für die Automobilindustrie jede Menge Möglichkeiten, die Abgasvorgaben außerhalb dieser Bedingungen zu umgehen. So hat das KBA in bestimmten Modellen des Fiat Ducato u. a. eine Funktion entdeckt, die nach 22 Minuten die Abgasreinigung abschaltet. Dumm nur, dass die Typgenehmigung für die Fahrzeuge in Italien erteilt worden ist und — obwohl in Deutschland verkauft und unterwegs — die deutschen Behörden nichts dagegen machen können, außer die Sache öffentlich zu machen und Italien darüber zu informieren. Dort ist die Typgenehmigungsbehörde sinnvollerweise direkt beim Verkehrsministerium angesiedelt. Und Italien schäumte. Wie können die deutschen Behörden auch so unverschämt sein, dem italienischen Heiligtum Fiat ans Bein zu pissen. Ergo ist das Ministerium auch nicht in der Lage, die Untersuchungen des KBA nachzuvollziehen und die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu finden. Seit 2017 läuft nun ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Italien — Ende offen. Und bis dahin können auch alle Wohnmobile in Deutschland auf der Basis des beanstandeten Fiat Ducato bei Fahrten von mehr als 22 Minuten fleißig und unbegrenzt Abgase ausstoßen — bis dass der TÜV sie aus anderen Gründen stilllegt. Messungen des KBA und der Deutschen Umwelthilfe (DUH) haben ergeben, dass die Abgaswerte zwischen dem Neun- und dem Fünfzehnfachen über den gesetzlichen Grenzwerten liegen. Ist doch schön, wenn davon nicht nur Karlsruhe und andere Städte etwas abbekommen, sondern auch der Schwarzwald.

Zurück zur Karlsruher Weststadt: Am 16.3.2024 hat der Verfasser auf seinem samstäglichen Spaziergang auf einigen wenigen — überwiegend nur teilweise abgelaufenen — Straßen in der Weststadt und im benachbarten Mühlburg (Ludwig-Marum-Straße, Bachstraße, Gellertstraße, Südliche- und Nördliche Hildapromenade) 28 Wohnmobile am Straßenrand gezählt. Das entspricht rund 40 regulären Stellplätzen. Freiburg hat errechnet, dass die Grundstückskosten für einen oberirdischen Stellplatz bei deutlich über 10.000 € liegen. Warum in aller Welt sollte eine Stadt diese Fläche, die man ungleich sinnvoller nutzen könnte, kostenlos zur Verfügung stellen? Erst recht erscheint es reichlich absurd, dass der Bürgerverein Weststadt und manche politischen Akteure im Wahlkampfmodus Parkplätze an der Kriegsstraße, die den Radverkehr gefährden, mit Zähnen und Klauen verteidigen (s. u&v 3/23, S. 12 ff.), wenn gleichzeitig immer mehr Wohnmobile kostenlos Platz in den Karlsruher Straßen finden. Und solange keine Parkbuchten mit Größenbegrenzungen markiert sind, lässt sich dagegen auch nichts tun (s. u&v 1/23, S. 22 f.). Wenn die Bürgervereine tatsächlich Vereine für die Bürger sein wollen, sollten sie sich daher für eine möglichst flächendeckende Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung einsetzen.

Wo Bewohnerparken angeordnet ist, sollte zudem die Übernahme des Koblenzer Modells geprüft werden. Dort werden die Parkgebühren für Bewohnerparken nach der in Anspruch genommenen Fläche bemessen (Grundgebühr x Breite x Länge des Fahrzeugs). Die Größenangaben des Fahrzeugs lassen sich unproblematisch und ohne nennenswerten weiteren Aufwand dem Fahrzeugschein entnehmen, der dem Antrag für den Bewohnerparkausweis nur in Kopie beigefügt werden muss.

Reiner Neises

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