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Im letzten u&v erwähnten wir kurz das von den “Bürgern für Karlsruhe” (BüKa) gestartete Bürgerbegehren gegen die U-Strab. In der Presse wurde in letzter Zeit öfters über Finanzprobleme bei der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs berichtet, (u&v 1/04). Die Initiativen gegen die U-Strab begründen ihr Anliegen vor allem mit der zugespitzten Finanzlage. Daher möchten wir über den Stand der ÖV-Finanzen allgemein und über den Stand der Kombilösung berichten.
Zu Jahreswechsel 03/04 ging es abrupt bergab mit den Finanzen. Die Ministerpräsidenten Koch (Hessen, CDU) und Steinbrück (Nordrhein-Westfalen, SPD) preschten mit Vorschlägen zum Subventionsabbau vor. ÖV-Gelder seien Subventionen, die man abbauen solle, während Straßenbau Investitionen seien... Gedreht wurde und wird über einige Jahre an mehreren Schrauben, u.a. bei den Ausgleichszahlungen der Schülerbeförderung, aber auch bei allgemeinen Zuschüssen für Ausbau und Betrieb. Kurz darauf zog das Land Baden-Württemberg nach und kürzte seinerseits die Zuschüsse. Inzwischen bezahlt es keinen einzigen eigenen Euro mehr für öffentlichen Verkehr, es reicht lediglich die Zuschüsse des Bundes weiter.
So langsam machen sich die Auswirkungen bemerkbar. Zunächst schien Karlsruhe Glück zu haben, denn die Projekte Aue-Wolfartsweier, Nordstadt und Friedrichstal-Spöck wurden rechtzeitig beantragt und begonnen, um noch den höheren Zuschuss von 85% zu bekommen statt nun 75%. Das große “Aber” kam bei der Auszahlung der Zuschüsse: Flossen sie bisher relativ zeitnah, ist nun die Gesamtsumme für alle Projekte so stark gedeckelt, dass sie nur noch sehr verzögert in die Kassen der Bauträger tröpfeln. Deshalb müssen alle Investitionen von den Gemeinden zwischenfinanziert und hohe Zinssummen bezahlt werden, bis nach Jahren das zugesagte Geld des Landes eintrifft. Das betrifft auch bereits begonnene oder gar fertige Projekte (Aue). Die Stadtbahn nach Friedrichstal kam so in Finanznot.
Das Projekt Busenbach bleibt vorerst unvollendet, da für die Verlegung der Strecke noch das Geld fehlt. Foto: Johannes Honné |
Mittlerweile sind immer mehr Projekte betroffen. So wird vorerst die S11-Strecke nicht auf die neue Brücke bei Busenbach verlegt, da noch mehrere zugesagte Millionen Euro fehlen. Auch die für die Niederflurwagen nötige Gleismittenerweiterung der Strecke nach Rintheim samt Aufweitung der Wendeschleife wurde erneut verschoben, da der Zuschuss-Bewilligungsbescheid bisher ausblieb.
Die Kämpfe ums Geld werden härter und unfairer. So wurden vom Land die Ausgleichszahlungen der kostenlosen Radmitnahme wieder gestrichen. Hätten die Verbünde die Mitnahme wieder kostenpflichtig gemacht, würden aber nach einer neuen Regel die allgemeinen Verbund-Zuschüsse gekürzt...
Ausgebremst sind auch Projekte wie die Bahn durch die Kriegsstraße-Ost und das dringend benötigte neue Depot in der Gerwigstraße. Für “Kleinigkeiten” wie die von uns und später den Grünen vorgeschlagene sinnvolle Haltestelle auf der Vogesenbrücke (s.a. u&v 2/03) oder der nötige weitere barrierefreie Umbau der Haltestellen ist erst recht kein Geld da. Erste Angebotskürzungen mussten auch schon durchgeführt werden (s.a. u&v 3/04 zum neuen Fahrplan).
Die Kombilösung ist von diesen Finanzsorgen vorerst unberührt, da sie mit über 51 Millionen Euro kein “Landesprojekt” ist, sondern ein “Bundesprojekt”. Zwar wurden auch hier die Zuschüsse gekürzt, aber mit 80% statt bisher 85% moderater. Der vom OB Heinz Fenrich vor Jahreswechsel eingereichte Zuschussantrag ignoriert dies aber und spekuliert weiter auf 85%... Die Chancen auf Zuschüsse sind aber bisher besser, auch weil es hier für das Land darum geht, zusätzliche Gelder zu den pauschalen Zuschussbeträgen für die “Landesprojekte” zu bekommen und das aus noch recht gut gefüllten Töpfen. Aus dem selben Topf sollen auch Teile des umstrittenen Projektes “Stuttgart 21” finanziert werden. Schon aus Gleichberechtigung fiele es dem Land dann schwer, den Badenern die Kombilösung zu verweigern.
Dann wäre nur noch der Anteil der Stadt zu finanzieren. Auch deren Finanzen sind desolat. Formal ist der Gemeinderat aber weitgehend gar nicht zuständig für die Finanzierung der Kombilösung, denn offiziell baut die KASIG (Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft), eine Tochter der Holding KVVH (Karlsruher Versorgungs-, Verkehrs- und Hafen-GmbH), zu der auch VBK, Stadtwerke und Rheinhafen gehören. Die KVVH kann dann die Mittel wahlweise über höhere Strompreise, höhere Fahrpreise, Einsparungen beim Angebot oder andere Unannehmlichkeiten für Karlsruher finanzieren oder durch höhere Verluste, die dann aber doch die Stadt als Eigentümerin tragen müsste.
Ungeachtet aller Finanzunwägbarkeiten laufen die Vorbereitungen zur Kombilösung weiter. Die Planungen sind quasi abgeschlossen. Sowohl der Bebauungsplan der Kriegsstraße, als auch das Planfeststellungsverfahren der U-Strab sollen in Kürze die nächsten Schritte gemeinsam beschreiten, u.a. die Offenlage für den Bürger. Man sollte also verstärkt die Presse verfolgen, z.B. die Ankündigungen in der Stadtzeitung. Baubeginn könnte 2007 sein. Im Internet findet man Details unter www.kasig.info
Gegenüber den Präsentationen im Rahmen des Bürgerentscheides haben sich ein paar Punkte geändert. Die Haltestellen der U-Strab werden 20 m länger, damit nicht nur für die Niederflurbahnen der barrierefreie Zugang gewährleistet ist, sondern auch für die 21 cm höheren Mittelflur-Stadtbahnen, wenn auch nur für deren erste zwei Türen. Die Option auf belebende Kioske in den unterirdischen Haltestellen entfällt weitgehend aus Brandschutzgründen. Von den versprochenen lichten, großzügigen und belebten Haltestellen ist nicht mehr viel übrig. Es bleibt das aus anderen Städten bekannte Mittelmaß...
Mittlerweile wird klarer, wie groß der Umfang der Arbeiten für die U-Strab wird. Weil wegen der 3 Rampen einige Haltestellen verschoben werden müssen, erstreckt sich der vom Bau betroffene Bereich nun über eine Länge von 4,8 km: von westlich der Scheffelstraße bis östlich der Veilchenstraße und im Süden bis zur Nebeniusstraße.
Nur gut 1,5 km davon werden für den zweigleisigen Ost-West-Tunnel ohne jegliche oberirdische Eingriffe (vom späteren gleisfreien Umbau der Fußgängerzone abgesehen) mit der Tunnelbohrmaschine gebaut. Beim Südabzweig lohnt sich dieser Schildvortrieb aber nicht. Bis zum Ettlinger Tor baut man mit einem anderen bergmännischen Verfahren, das aber Betoninjektionen von oben benötigt, also nicht ganz baustellenfrei ist.
Auch die Kriegsstraße ist fertig geplant: Eine neue unterirdische Querung des Mendelssohnplatzes ist vorgesehen. Die Zahl der Rampen zwischen Mendelssohnplatz und Karlstor liegt bei nur noch 4: eine vom Karlstor-tief kommend nach der Lammstraße hoch zum Ettlinger Tor, eine vom Mendelssohnplatz-tief nach der Kreuzstraße hoch kommend zum Ettlinger Tor und die zwei Gegenstücke. Das ECE wird von Osten kommend und nach Westen ausfahrend unterirdisch angeschlossen.
Interessant ist die teils recht geringe Anzahl an Spuren: Von Osten kommend führt vor dem Mendelssohnplatz nur eine Spur in die Tiefe. Oberirdisch ist stellenweise auch nur noch eine Spur vorhanden. Zu Gute kommt dies neben der Straßenbahn auch den Radfahrern, die östlich des Karlstors durchgehend eine eigene Radinfrastruktur bekommen, zumeist in der moderneren Art der Radspur. Oft gibt es auch eigene Linksabbiegestreifen, was durch eine geplante Novelle der StVO möglich wird.
Im Zuge der Lammstraße kann die Kriegsstraße auch von Autos ebenerdig gequert werden, für Fußgänger ist dies auch an weiteren Kreuzungen möglich. Während die Unterführung Karlstor weitgehend erhalten bleibt, muss die Unterführung Ettlinger Tor komplett neu gebaut werden, hauptsächlich wegen der U-Strab.
Die Widerstände gegen die U-Strab flammen erneut auf. Die Initiative ging aber nicht von der Bürgerinitiative “Stoppt den Stadtbahntunnel” (BI) aus, sondern etwas überraschend von der Gruppe “Bürger für Karlsruhe” (BüKa), die in einer gemeinsamen Liste mit der Ökologisch-Demokratischen Partei (ödp) nach der letzten Kommunalwahl einen Vertreter in den Gemeinderat entsenden konnte. In der BüKa sind auch Personen aktiv, die sich schon am Kampf gegen die U-Strab beteiligten. Die BüKa sammelt nun Unterschriften für ein neues Bürgerbegehren. Da die Initiative dafür vom Volk ausgeht und sich nicht auf einen Gemeinderatsbeschluss bezieht, kommt die vierwöchige Frist nicht zum Zuge: Die Zeit zum Sammeln ist also unbegrenzt.
Gefordert wird ---- neben dem Verzicht auf die Untertunnelung der Kaiserstraße und dem Verzicht auf einen Abbau der oberirdischen Gleise ---- eine Straßenbahn in der Kriegsstraße, aber nicht nur zwischen Karlstor und Mendelssohnplatz (wie bei der Kombilösung), sondern vom Schlachthof bis zum Weinbrennerplatz.
Durch den Vorstoß der BüKa stellte sich auch für andere Initiativen die Frage, wie sie sich zum aktuellen Stand der U-Strab positionieren. Der VCD besprach diese neue Entwicklung im Kreis der Aktiven und auf der Hauptversammlung. Selbst scharfe Kritiker der U-Strab blieben distanziert zum BüKa-Begehren. Neben sachlichen Gründen war bei uns, aber auch bei Externen, eine gewisse “Wahlmüdigkeit” bei diesem Thema zu spüren. Aber auch der Respekt gegenüber der Entscheidung des Bürgers im 2002er Bürgerentscheid war bei vielen Grund für die Zurückhaltung. Ähnliches hörte man von anderen Initiativen.
Der BI “Stoppt den Stadtbahntunnel”, führende Kraft bei den bisherigen Bürgerentscheiden, bereitete, neben bedeutenden formalen Unstimmigkeiten im Bürgerbegehren, vor allem die genannte Fragestellung Probleme. An sich ist der Umfang in der Kriegsstraße wünschenswert, denn bei der Kombilösung wird ausgerechnet der für die Anwohner wichtigere Bereich westlich des Karlstors völlig ausgespart. Allerdings wird es im Westen enger. Und es erhöht die Kosten enorm, was schwierig vermittelbar ist angesichts des Hauptarguments gegen die U-Strab: die schwierige Finanzlage der öffentlichen Haushalte. Der Teil zwischen Mendelssohnplatz und Schlachthof ist dagegen ein bereits fertig geplantes Projekt und somit unnötige Beigabe zum Begehren.
Die BI suchte zunächst das Gespräch mit der BüKa und anderen Initiativen und Parteien, auch mit BUZO, Pro Bahn und VCD, um ein erfolgsversprechenderes Bündnis auf breiterer Basis zu bilden. Das Echo war jedoch schwach. Die Gemeinderatsgruppen sind noch an das Ergebnis des Bürgerentscheides gebunden, die Initiativen hielten sich zurück beim Gedanken an einen neuen aufwendigen Wahlkampf und nachträgliche Änderungen an Fragestellung und Formalien hätten womöglich die bisherige Unterschriftensammlung entwertet.
Die BI “Stoppt den Stadtbahntunnel” suchte dann andere Wege gegen die U-Strab. Vielen Bürgern ist unbekannt, dass nicht nur Gemeinderatsgruppen, sondern auch jeder Bürger Anträge zum Haushalt einreichen kann. Dies hat die BI bereits 2004 gemacht. Nun strebt sie es mit Bürgerunterstützung erneut für die Phase der Aufstellung des Nachtragshaushaltes an: Der Gemeinderat möge dem Aufsichtsrat der KASIG empfehlen, bereit gestellte Gelder für den Bau der Kriegsstraße zu verwenden. Diese umwegige Formulierung ist nötig, da der Gemeinderat eigentlich keinen direkten Einfluss hat auf die Verwendung der Gelder innerhalb der formal selbständig agierenden KASIG. Da deren Aufsichtsrat jedoch fast ausschließlich mit Gemeinderatsmitgliedern besetzt ist, wäre es aber eigenartig, wenn diese eine zuvor auch von ihnen im Gemeinderat beschlossene Empfehlung nicht umsetzen würden... Voraussichtlich wird dieser Antrag noch durch weitere Aktionen der BI begleitet.
Behindern oder ergänzen sich BüKa und BI? Es ist zwar unglücklich, dass kein gemeinsames Vorgehen zustande kam, aber die beiden Initiativen stehen nicht unbedingt in Konkurrenz zueinander. Bestenfalls ergänzen sie sich sogar.
Ein Haushaltsantrag der BI kann bei Erfolg das Ziel mit relativ wenig Aufwand erreichen. Da nur beantragt wird, bei der Mittelverwendung die Kriegsstraße gegenüber der U-Strab zu bevorzugen, steht der Antrag nicht im direkten Konflikt zum mehrheitlichen Bürgervotum des 2. Bürgerentscheides. Aus vielen Gründen, technischen wie auch anderen, ist diese Reihenfolge besser. Auch deswegen steht in einigen Wahlprogrammen zur Kommunalwahl 2004, dass trotz Bürgerentscheid “dem Umbau der Kriegsstraße eine höchste Priorität eingeräumt wird” (SPD) bzw. “der Umbau der Kriegsstraße im Vordergrund steht” (KAL). Nimmt man diese beim Wort und die Ablehnung gegenüber der U-Strab in den Wahlprogrammen von BüKa, Grünen und PDS hinzu, müsste ein solcher Antrag eigentlich Erfolg haben.
Das Bürgerbegehren der BüKa erfordert im Falle eines Bürgerentscheides den höheren Aufwand, erreicht dann aber im Falle eines Erfolges das Ziel durchgreifender, weil die U-Strab dann nicht nur aufgeschoben, sondern aufgehoben wäre. Beide Initiativen zusammen entfalten natürlich auch, wenn sie eine deutliche Anzahl von Unterschriften sammeln, einen symbolischen Wert in einer Phase, in der Behörden in Land und Bund über die Verteilung knapper Gelder entscheiden.
Im Prinzip kommt der Ansatz der BI der VCD-Position von 2002 sehr nahe, denn in unserem damaligen Konzept wollten wir auch den Umbau der Kriegsstraße zuerst. Nur falls dies zur Entlastung nicht ausreicht, wäre eine U-Strab für uns eine Option, aber ohne Abbau oberirdischer Gleise. Insofern beobachten wir beide Initiativen mit Interesse, vorerst jedoch ohne aktiver einzugreifen. Schade ist, dass keine der beiden Initiativen Maßnahmen aus der 1. Stufe unseres damaligen Konzeptes aufgreift, denn insbesondere mit einer zweiten Stadtbahn-Rampe beim Hauptbahnhof in Richtung Durlach funktionieren etliche Alternativkonzepte deutlich besser.
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 2/05
Stand des Artikels: 2005! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.