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Planfeststellungsverfahren dritte Rheinbrücke läuft
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Noch freie Landschaft ab Brücke; Foto: Uwe Haack
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Als das letzte Heft der umwelt&verkehr erschien, waren die Fristen noch nicht bekannt, jetzt sind sie vorbei. Anfang Juni endete die Einwendungsfrist im Planfeststellungsverfahren für eine weitere Autobrücke zwischen Wörth und Karlsruhe — offiziell in den Planungen als „Zweite Rheinbrücke“ bezeichnet, um eine Diskussion über eine mögliche Verlagerung von motorisiertem Individualverkehr auf die Bahn gleich erst nicht aufkommen zu lassen. Und das mit Erfolg.
Stuttgart 21 lässt grüßen. Davon, dass nach dem Bürgerprotest um das Bahnhofsprojekt nun eine andere Planungs- und Beteiligungskultur herrschen soll, ist nichts zu spüren. Im Gegenteil:
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Der Termin für die Auslage der Unterlagen wurde vom Regierungspräsidium Karlsruhe so gewählt, dass das Projekt aus dem Wahlkampf herausgehalten werden konnte und gleichzeitig in Stuttgart keine handlungsfähige Regierung bestand. Die Auslegungs- und Einwendungsfristen waren auf das absolute gesetzliche Minimum beschränkt und sind für ein Projekt, für das ein dreistelliger Millionenbetrag an Steuermitteln verbaut werden soll, indiskutabel. Bemühungen, eine frühzeitige Information und Beteiligung zu erreichen, blockte das Regierungspräsidium konsequent ab. Ein Raumordnungsverfahren wie in der Pfalz wurde erst gar nicht durchgeführt. Transparenz und Bürgerbeteiligung sind bei dem Neubauprojekt unerwünscht. Im Juni wurden unmittelbar im Anschluss an die Einwendungsfrist zur Rheinbrücke weitere umstrittene Großprojekte ausgelegt, um den bekanntlich mit beschränkten Ressourcen handelnden Umweltverbänden fundierte Einwendungen zu erschweren. Wohl wissend, dass sämtliche Einwendungen, die bis zum Ende der Einwendungsfrist nicht erhoben sind, für das spätere Verfahren inklusive eines Gerichtsverfahrens ausgeschlossen sind. Ein faires Verfahren sieht anders aus.
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Das Bestehende wird — auch das kennen wir aus Stuttgart — schlecht geredet. Die Sanierungsbedürftigkeit der bestehenden Straßenbrücke wird übertrieben. Die Möglichkeit einer Sanierung ohne Vollsperrung wurde nicht ernsthaft geprüft. Die (alten) Ministerien und Planungsbehörden arbeiten mit ersichtlich falschen Zahlen. Die tatsächliche Verkehrsentwicklung hat sich längst von diesen Phantasiezahlen abgekoppelt. Die Verkehrsbelastung auf der bestehenden Rheinbrücke wächst nicht, wie prognostiziert, sondern war 2010 im dritten Jahr in Folge rückläufig und ist mittlerweile weit von den 80.000 Fahrzeugen pro Tag entfernt, die das Regierungspräsidium immer wieder in den Medien verbreiten lässt.
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Ein Stresstest fehlt. Wird die Neubaumaßnahme wie geplant realisiert, werden die Staus zwischen Wörth und Karlsruhe nicht geringer, sondern mehr werden. Der Verkehr, der jetzt über die bestehende Brücke fließt, soll sich zwar nach der beabsichtigten Planung — ungleichmäßig — auf zwei Brücken verteilen. Er wird aber nach wie vor bei der Zusammenführung auf der Südtangente am Ölkreuz aufeinandertreffen. Aufgrund der in diesem Bereich bestehenden Verengung auf zwei Fahrspuren kommt es dort bereits jetzt im morgendlichen Berufsverkehr zu Staus. Durch die geplante Neubaumaßnahme würde der Verkehrsfluss zusätzlich dadurch gehindert, dass am Ölkreuz für den von der dritten Rheinbrücke kommenden Verkehr ein Einfädelungsvorgang auf die B 10/Südtangente erforderlich wird. Das wird die Staugefahr und Zahl und Länge der Staus erhöhen, selbst, wenn die Verkehrsmenge gleich bleibt. Da durch den Bau der dritten Rheinbrücke aber mit zusätzlichem Verkehr zu rechnen ist, wird sich auch deshalb die Staugefahr erhöhen.
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Die Alternative: Eisenbahnbrücke; Foto: Uwe Haack
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Negative Auswirkungen werden auch sonst ausgeblendet. Die zwei Spuren der B 10 bei Knielingen schaffen keinen Zuwachs. Durch Knielingens Straßen wird daher mehr Verkehr schleichen. Und kommt es zu der vom Regierungspräsidium angestrebten Sanierung unter Vollsperrung nach dem Bau der dritten Rheinbrücke, werden die Konsequenzen des Umwegs für die lokale Wirtschaft — auch für die Pfalz — und den Verkehrsablauf äußerst negativ sein.
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Statt bei einer Ersatzbrücke fast ohne Flächenverbrauch auszukommen, sollen 31 ha für die Brücke und ihre gigantischen Anschlussstraßen „verbraucht“ werden. Auf Pfälzer Seite werden Naturschutzgebiete europäischen Rangs entwertet, auf Karlsruher Seite Erholungslandschaften durchschnitten.
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Die Steuermittel von morgen werden für eine Verkehrspolitik von gestern verplant. Unser Straßennetz hat schon heute enormen Rückstand beim Erhalt des Bestehenden. Dennoch meint eine überholte Verkehrspolitik, an deren Spitze vor allem die Bundesregierung steht, immer noch zusätzliche Straßen auf Pump zu planen und zu bauen, die die schrumpfende Bevölkerung der kommenden Jahrzehnte und Generationen finanzieren und erhalten sollen.
Im April hat sich ein Bündnis von rund 30 Bürgervereinen, Umwelt- und Verkehrsverbänden und Bürgerinitiativen diesseits und jenseits des Rheins gebildet, um eine möglichst fundierte Stellungnahme im Planfeststellungsverfahren abzugeben. BUZO, Pro Bahn und VCD haben sich ihm angeschlossen. Diese Einwendungen sollten auch der neuen Landesregierung genügend Argumente bieten, um den Neubau in Frage zu stellen.
Reiner Neises
Gemeinsame Einwendung der Verbände siehe: rv-mittlerer-oberrhein.bund-bawue.de
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 2/11
Stand des Artikels: 2011! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.
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