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Die Regionsumfrage 2016, mit der Karlsruhe die Beurteilung der Stadt von Besuchern aus der Region untersuchen ließ, zeigt einen erschreckenden Rückgang bei der Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf. Bei den Ursachen fällt den Verantwortlichen in den städtischen Unternehmen, der Verwaltung, der Kommunalpolitik und der Presse nicht viel mehr ein als der Hinweis auf Baustellen und Fahrermangel. Diese Betrachtung greift zu kurz. Es gibt viele Möglichkeiten, durch einfache Maßnahmen den öffentlichen Verkehr zu stärken und positiv zu besetzen. Leider wurde vieles seit Jahren versäumt.
Karlsruhe braucht eine Vorrangschaltung für Busse und Bahnen, die ihren Namen verdient. Es kommt immer noch vor, dass unbedeutende Nebenstraßen an Ampelschaltungen Vorrang bekommen und Bahnen selbst für einzelne Pkw gestoppt werden. Pünktlichkeitswerte und die allgemeine Zufriedenheit der Kunden lassen sich so erhöhen.
Auch in der Werbung für Veranstaltungen sollte der ÖPNV Vorrang haben, vor allem für solche, die von der öffentlichen Hand mit ausgerichtet werden. Jede Veranstaltungsankündigung sollte grundsätzlich die Bitte enthalten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen und die nächstgelegene Haltestelle angeben. Insbesondere die Karlsruher Messe und Kongress GmbH sollte nicht nur dann Besuchern die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln empfehlen, wenn zu befürchten ist, dass die Parkkapazitäten wegen mehrerer Veranstaltungen gleichzeitig nicht ausreichen. Das kann der Oberbürgermeister durch eine Dienstanweisung an alle Ämter sicherstellen. Eine Anreiseskizze für den Autoverkehr und der Hinweis auf Parkmöglichkeiten dürfen hingegen gerne fehlen.
Das „KVV Magazin“ und der „KVV Newsletter“ sollten Werbeträger für die Nutzung des Öffentlichen Verkehrs sein und zugleich inhaltlich darüber informieren. Lifestyle-Berichte, die mit dem Öffentlichen Verkehr nichts zu tun haben, kann man auch an anderer Stelle zur Genüge lesen.
Was in vielen anderen Städten eine Selbstverständlichkeit ist, darf auch in Karlsruhe zum guten Ton gehören: An jeder größeren Haltestelle weisen Umgebungspläne Fahrgästen den Weg ins Viertel und an ihr Ziel.
Jede Fahrt mit Bus und Bahn beginnt mit einem Fußweg zur Haltestelle. Wo der Fußverkehr gestärkt, Gehwegparken bekämpft und Fußgänger nicht durch ungeschickte und unnötige Ampelschaltungen aufgehalten werden, wird der Öffentliche Verkehr gestärkt. Auch Querungen über die Gleise sind häufig nicht im Sinne der Fahrgäste gestaltet, sondern an einem überzogenen Sicherheitsdenken orientiert.
Ein großes Plus des Öffentlichen Verkehrs ist, dass man die Zeit in Bus und Bahn — anders als im Auto — in aller Regel sinnvoll nutzen kann. Viele Fahrgäste nutzen auch die Gelegenheit, sich in Ruhe die Stadt oder das Treiben auf den Straßen anzuschauen. Dieser Blick wird leider zunehmend durch Werbung auf den Fensterscheiben verstellt.
Ungleich wichtiger als Bahnen aus der Innenstadt zu verbannen, wäre es, größere Teile des Zentrums autofrei zu bekommen. Dass Kraftfahrzeuge an jeden Ort der Innenstadt fahren können, ist nicht erstrebenswert. Langfristig sollte eine sukzessive Verlagerung des Parkraums an die Peripherie der Innenstadt angestrebt werden. Die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt würde dadurch deutlich besser.
Parkgebühren sind viel zu niedrig. Wenn Benzin und Diesel so billig sind, kann der Parkplatz in der Innenstadt schon etwas teurer sein. Die billigste Parkgebühr sollte daher nie unter dem Preis liegen, der auch für eine Fahrt mit Bus oder Bahn anfallen würde. Die Fahrpreise im ÖPNV werden stattdessen jährlich angehoben, Parkgebühren hingegen äußerst selten. Inflationsbereinigt ist Parken bundesweit daher sogar günstiger als im Jahr 2006. Mit der Erhöhung der Parkgebühren im Januar 2017 ließ sich die Stadt Karlsruhe etwa 5½ Jahre seit Juni 2011 Zeit. Und sie fiel mal wieder äußerst halbherzig aus. Unverständlich ist insbesondere, dass die Gebühren für Kurzzeitparken nicht erhöht wurden. Damit wird kein Anreiz geschaffen, auf den Umweltverbund umzusteigen, sondern sogar darauf hingearbeitet, dass möglichst viele Autofahrer eben mal schnell in die Stadt fahren. Wer schnell für eine Erledigung zwei oder Stationen mit der Bahn in die Stadt fahren will, zahlt 4,80 € bzw. selbst mit Bahncard-Ermäßigung noch 3,60 €. Den Autofahrern wird der Kurzzeitparkplatz mit 50 Cent hingegen geradezu hinterhergeworfen. Noch schlimmer ist es in den Stadtteilen Durlach und Mühlburg, wo die sog. „Brötchentaste“ kostenloses Parken ermöglicht und so für die Nichtnutzung von Bussen und Bahnen wirbt.
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 2/17
Stand des Artikels: 2017! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.