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Auch am Stephanplatz ausgebremst, zwar nur eine minimale „Gedenksekunde“, aber in Summe über alle dieser Art kommt „Gezockel“ dabei raus ... Foto: Heiko Jacobs |
„Keine Auffälligkeiten oder Benachteiligungen der Straßenbahn an den von ihm beobachteten Kreuzungen, bzw. Knotenpunkten gegenüber den übrigen Verkehrsarten.“ Dies war die Kernaussage von Thomas Pöschl, der lange Jahre in Nürnberg zuständig war für die dortigen Lichtsignalanlagen(LSA)-Steuerungen im gesamten Straßenraum.
Pöschl, der sich die Knotenpunkte Kronenplatz, Rüppurrer Tor mit Baumeisterstraße und Karlstraße mit Ebertstraße vor seinem Treffen im Umweltzentrum anschaute, stellte angesichts der Komplexität der genannten Knotenpunkte fest, dass das zuständige Tiefbauamt mit den LSA-Programmen ein Optimum für den reibungslosen Verkehrsablauf geschaffen hat. Besonders würde man merken, dass versucht wird, möglichst Staus zu verhindern. Auch müssten die Straßenbahnen nicht länger warten als der Autoverkehr. Also in Karlsruhe alles in Ordnung?
Nun, dies war die Sicht aus dem Blickwinkel eines Verkehrsplaners, der, so wie seine Kollegen im Karlsruher Tiefbauamt, als oberstes Ziel hat, keine Staus zu erzeugen. Damit wird natürlich sehr stark auf die Interessen des Autoverkehrs Rücksicht genommen.
Wer allerdings als Verkehrspolitiker das Ziel hat, mehr Menschen hin zum öffentlichen Verkehr zu bringen, kann mit dieser Aussage oder Feststellung nicht zufrieden sein.
Gleichberechtigung an einem Knoten oder auch an einer einfachen Kreuzung heißt noch lange nicht gleiches Recht in der Verkehrsabwicklung, und schon gar nicht kann dabei von einer Bevorrechtigung des öffentlichen Verkehrs gesprochen werden.
In den letzten Jahren sind enorm viele neue Lichtsignalanlagen installiert worden, ganz besonders viele, die direkt die Straßenbahn betreffen. Neubaustrecken für Straßenbahnen werden ohnehin nur noch signalisiert gebaut, d. h. an jedem Überweg oder jeder Kreuzung steht eine Lichtsignalanlage. Und alle werden inzwischen von der ankommenden Straßenbahn angesteuert, erkenntlich an dem Buchstaben A über der Ampel. Inzwischen gibt es diese Ankündigungszeichen auch für den Busverkehr, erkennbar am Buchstaben B. Allerdings, wer glaubt, dass diese Ampeln auf freie Fahrt springen, um die Straßenbahn oder den Bus nicht auszubremsen, täuscht sich. Der senkrechte Balken, das Zeichen für „Fahrt frei“, erscheint oft sehr verzögert. An Haltestellen manchmal einige Sekunden nach Abschluss des Fahrgastwechsels, und auf freier Strecke muss die Bahn häufig abbremsen, weil das Freisignal sehr knapp oder sogar zu spät kommt und dies ohne ersichtlichen Grund. Im Einzelfall ist dies nicht tragisch, jedoch die Summe führt zu längeren Fahrzeiten. Der Karlsruher Volksmund spricht dann von „Gezockel“.
Als die Stadt Karlsruhe in den 1980er Jahren damit anfing, für die Straßenbahn Vorrang einzuführen, wurden nach und nach alle Signalisierungen von Festprogrammen auf variable Programme (Signalprogrammmodifizierte Ampelsteuerung)1 umgestellt, mit dem Ziel, der Straßenbahn Vorrang zu gewähren. Die Zielsetzung war, in der Innenstadt den Straßenbahnverkehr zügig abzuwickeln und gleichzeitig dem Autoverkehr andere schnelle Wege, oft kreuzungsfrei aber mindestens mit Grüner Welle, in der Peripherie anzubieten. Beispiele: Kriegsstraße und Kriegsstraße-Ost, Südtangente, Nordtangente Ostabschnitt, Brauerstraße, Adenauerring und viele kleinere Maßnahmen, um dem Autoverkehr schnelle Wege am Rande der Stadt anzubieten. Anmerkung: Für die Straßenbahn gab es keine schnellen Umfahrungsstrecken, dafür versuchte man mit Eilzügen etwas von den fahrzeitmäßigen Benachteiligungen aufzuheben. Ein problemloser Eilzugbetrieb hat aber bis heute nie richtig funktioniert, auch aus Gründen der LSA-Schaltungen.
Unumstritten waren diese LSA-Programmmodifikationen von Anfang an nicht, denn die Autofahrer fühlten sich benachteiligt. Vermutlich durch Presseberichte, in denen die Vorrangschaltung für die Straßenbahn immer wieder betont wurde, ging die Autolobby auf die Barrikaden. Dabei war die Ampelsteuerung so ausgelegt, dass zwar der Straßenbahnverkehr vorrangig abgewickelt werden konnte, der Autoverkehr aber trotzdem kaum behindert wurde. Allerdings gab es einige Ausreißer, wenn Nebenstraßen, die auf Hauptstraßen führten, die Grünphase unterdrückt bekamen und dadurch zusätzliche Umläufe abzuwarten waren. Schnell wurden diese Sonderfälle verallgemeinert und dem Straßenbahnvorrangverkehr angelastet. Dabei war diese Phasenunterdrückung der Grünen Welle für den Autoverkehr auf der Hauptstraße geschuldet. Der Kampf gegen die Vorrangschaltung für die Bahnen begann. Eine konzertierte Aktion der Autolobby schaffte es, die Ampeln wieder freundlicher für den Autoverkehr zu schalten, natürlich zum Nachteil der Straßenbahn. Die Folge waren Fahrzeitverlängerungen auf vielen Linien (Vergleich der Fahrpläne von damals mit heute!).
Zitat aus einem Schreiben der Verkehrsbetriebe an PRO BAHN vom 31. Juli 2015:
„... die ÖPNV-Priorisierung [hat] nicht mehr das aus unserer Sicht wünschenswerte Maß. [...] In Abstimmungsrunden mit den zuständigen städtischen Ämtern kämpfen wir oftmals relativ allein für die Belange des ÖPNV, während auf der anderen Seite eine recht intensive Lobby aus Geschäftswelt, Presse, Leserbriefschreibern etc. für die Belange des Kfz-Verkehrs streitet und starke Interessensverbände für die Belange des Radverkehrs. Davon bleiben die zuständigen Ämter natürlich nicht unbeeindruckt.“
Bleibt nur die Hoffnung, dass dieser Hilferuf die Leser dieses Artikels zum Handeln motiviert. Ein attraktiver schneller öffentlicher Verkehr sollte allen Umweltbewegten am Herzen liegen.
1 Ein kurzes Zeitfenster reicht der Straßenbahn, um die Kreuzung zu überqueren. Durch Anpassung der LSA-Umlaufzeiten erhält die Bahn genau in dem Moment ihr Freizeichen, wenn sie es auch benötigt.
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 3/15
Stand des Artikels: 2015! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.