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Klimanotstand — Verkehrswende — oben bleiben!

Prioritäten: Radeln statt Parken, jedenfalls theoretisch, in Karl-Wilhelm-Str. (Fortsetz. nächstes Jahr), Rüppurrer Str., und Karlstr., geplant Erzbergerstr.; Fotos: H. Jacobs
Verkehrsversuch: Massive Sperrung des Zirkel gegen illegal durchfahrende Autos
Gelber Farbtupfer auf Weiß für die Verkehrswende nötig

U. a. die Stadt Karlsruhe hat im Juli den Klimanotstand ausgerufen. Das ist zunächst zwar nur ein symbolischer Akt, der die Brisanz verdeutlichen und die Priorisierung des Klimaschutzes forcieren soll. Aber natürlich hätten wir bei dieser Gelegenheit trotzdem gerne mehr Butter bei die Fische! Energiewende, Maßnahmen zur Milderung der Klimawandelfolgen, klimaresistentere Bäume in Stadt und Wald und vieles mehr gehören dazu, natürlich aber auch die Verkehrswende und damit das VCD-Hauptthema — Aber was sollte eine Verkehrswende allgemein und in Karlsruhe sein?

1. Verkehrsvermeidung

Am besten kann man den CO2-Ausstoß etc. des Verkehrs reduzieren, wenn man sich gar nicht erst auf den Weg macht: Lokal produzieren statt Teil- und Endprodukte paar mal um die ganze Welt zu transportieren gehört dazu — Viel chinesisches CO2 gehört eigentlich auf unser CO2-Konto ... In der Freizeit kann man Verkehr vermeiden, indem man Erholung in der Umgebung sucht (wir sitzen in KA quasi wie die Made im Speck, was Urlaub betrifft) und die Fernreisen möglichst Fernsehteams überlässt, die uns die weite Welt präsentiert, nebenbei auch virenfrei. Oder lokal einkaufen statt auf der grünen Wiese, joggen/radeln um den Block statt per Auto ins Fitness-Studio.

In der Arbeitswelt kann es Home-Office sein oder einfach nur näher an der Arbeit wohnen. Spätestens bei diesem Punkt stößt man aber auf Konflikte, denn Wohnraum in Karlsruhe ist knapp. Bei der Überarbeitung des Flächennutzungsplans hat die Stadt neuen Wohnraum in Haltestellennähe vorgeschlagen, man wollte die jetzigen Kleingärten an den Rand verlagern, was Alltagswege umweltfreundlicher gemacht hätte, aber zu Protest führte. Auch die Nachverdichtung ist umstritten. Aber man kann sich fragen, warum es immer noch Bundeswehrlager auf Stadtgebiet gibt oder ob man Straßen, Parkplätze und Schienen mit Gewerbe und Wohnen überbauen („einhausen“) kann, was auch Lärm reduzieren könnte.

2. Verkehrsverlagerung

Nach so optimierten Wegen kann man viele weitere Wege CO2-neutral auf Fuß und Rad umstellen, denn Karlsruhe ist flach und kompakt. Die Verdoppelung des Fuß- und Radverkehrs sollte erste Priorität besitzen! Dazu braucht man aber Ressourcen bei Personal und Finanzen, da wurde zwar etwas aufgestockt, aber noch längst nicht ausreichend, wenn man sich das Tempo der Umsetzung des alten 20-Punkte-Programms anschaut, das demnächst überarbeitet wird. Und es braucht den Mut von Verwaltung und Politik, um Verkehrsraum umzuschichten, ersten Mut bei Radspur statt Parken (s. Bild) und Zirkelschließung (s. Bild) zeigte man schon, jetzt muss man die neuen Spuren nur noch freihalten ... Beim Fußverkehr steht die Ausweitung der Fußgängerzonen zur Diskussion, Bsp. nördl. Karlstr., wo wieder der Park(ing) Day erfolgreich zeigte, wie das aussehen kann (s. S. 12).

Als weitere Alternative gehört dann der Anteil des öffentlichen Verkehrs (ÖV) verdoppelt! Die Deutsche Bahn hat sich schon vor einigen Monaten zum Ziel gesetzt, ihre Passagierzahl zu verdoppeln: Streckenausbau, mehr Züge, engere Takte. Genau das müssen wir auch regional als Ziel setzen. AVG, VBK und KVV haben letztes Jahr schon die „Netzkonzeption 2020/2030“ vorgestellt mit vielen Projekten in spe, aber wann das wie umgesetzt werden soll, blieb offen. Auch wären noch weitere Maßnahmen wünschenswert. Der heutige ÖV ist auf die Zentren ausgerichtet. Von Dorf zu Dorf zu kommen, kann schwierig sein, wenn sie nicht an der selben Hauptachse liegen, aber genauso umständlich kann es sein, von außerhalb in Karlsruher Gewerbegebiete zu kommen: Erst mal ins Zentrum, Tram wechseln, irgendwo mit dem Bus weiter, und das obwohl viele Gewerbegebiete an Bahnstrecken liegen, man müsste sie nur besser verknüpfen und Tangentialverbindungen schaffen, die sich rentieren, wenn insgesamt die Nutzerzahlen des ÖV steigen.

Tangenten ziehen evtl. auch etwas Verkehr vom Zentrum ab, wo wir ein Problem bekommen werden: Die U-Strab! In dieser fährt man nach Signal und nicht auf Sicht, wie oben, das reduziert die Kapazität der wichtigsten Citystrecke. Schon das Netzkonzept von 2004 sieht dort eine Linie weniger vor als bis Baubeginn oben fuhr. Am endgültigen Netz arbeitet man noch immer, aber ersten Veröffentlichungen in Fachzeitschriften war zu entnehmen, dass man aus Kapazitätsgründen im Tunnel mit noch einer Linie weniger fahren müsste. Die Kriegsstraße, so wurde uns damals erklärt, als sie noch ein Alternativkonzept war, ist in ihrer Kapazität wegen der Konflikte mit Autos auch auf drei Linien beschränkt. Das wird man wohl voll ausnutzen, auch weil man die Trasse über das Konzerthaus nicht mehr im Linienbetrieb nutzen will. Wo sollen also doppelt so viele ÖV-Kunden hin? Die großen Linien fahren bereits mit maximaler Länge von 2 Wagen, dieser Weg kann auch nicht die Lösung sein. Daher engagieren sich VCD und PRO Bahn auch für einen Erhalt der oberirdischen Gleise in der Kaiserstraße: Wir werden sie dringend brauchen, vielleicht nicht schon 2022 — da „nur“ für den Fahrgastkomfort (umsteigen) — aber 2032 ff., wenn dann endlich die Verkehrswende greift! Bisher geht die Stadtpolitik nicht darauf ein, auch weil die bahnfreie Kaiserstraße Teil des Bürgerentscheids war bei längst abgelaufener Bindungsfrist. Aber die Rahmenbedingungen haben sich geändert: Denkverbote passen nicht zum Klimanotstand! Die U-Strab wurde aus ÖV-Töpfen finanziert: Würde sie zum Hemmschuh bei der Verkehrswende, wären 1,5 ÖV-Milliarden quasi zum Fenster rausgeworfen, wir brauchen für die Wende aber guten ÖV.

3. Dann erst Antriebswende

Wenn man die Medien verfolgt, könnte man meinen, es ginge nur um „Verbrennungsmotor raus, E-Motor rein und fertig“ — von wegen! Auch E-Autos brauchen Platz und verursachen Unfälle etc., sind also nicht die große Lösung. Die Umweltfrage der E-Autos wird heiß diskutiert: Ökostrom und Lithiumgewinnung unter naturzerstörerischen und ausbeuterischen Bedingungen etc. Vergessen wird, dass auch Mineralölgewinnung ähnliche Folgen hat. Mit ein Grund, erst einmal Verkehr zu vermeiden und zu verlagern (u. a. auf bewährte „E-Bahnen“) und auch nicht nur auf „E-Auto“ zu setzen, sondern auch Wasserstoff und andere Ersatztreibstoffe zu erzeugen: Wind und Sonne stehen nicht immer zur Verfügung, man braucht also Überkapazitäten. Bei viel Wind und Sonne kann man den Strom in Treibstoffe und andere Speicherungsformen (s. a. S. 4) umwandeln, die nicht nur für wind- und sonnenarme Zeiten Strom liefern, sondern auch Treibstoffe für Schwer- und Fernverkehr, der nur schlecht zu verstromen ist (Ladezeiten, Akkukapazität). Für den Privatgebrauch am besten als Carsharing, dann hat man stets den passenden Antrieb und die passende Autogröße für den unvermeidbaren Restverkehr.

Heiko Jacobs

Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 3/19

Stand des Artikels: 2019! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

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