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Park(ing) Day nördliche Karlstraße; Fotos: Heiko Jacobs |
Um kaum etwas wird so gestritten wie um Parkplätze. Das galt nicht nur für die Diskussionen um das in Karlsruhe lange Jahre widerrechtlich geduldete Parken auf Gehwegen ohne Rücksicht auf Fußgänger allgemein und besonders Kinderwägen, Rollstühle und Rollatoren und alle, die darauf angewiesen oder sonst mobilitätseingeschränkt sind. Durch das neue Konzept zum Gehwegparken wurden letztlich viele Parkplätze legalisiert, die es vorher gar nicht gab (s. umwelt&verkehr 2/19). Dennoch hört das Gejammer um die vermeintlich fehlenden Parkplätze nicht auf. Das nicht existente „Grundrecht auf einen Parkplatz vor der Haustür“ auf Kosten der Allgemeinheit ist aus den Köpfen mancher offenbar nicht herauszubekommen. Und regelmäßig wird von einigen Vertretern im Gemeinderat öffentlichkeitswirksam die Angst geschürt, dass die Wirtschaft zusammenbreche, wenn auch nur einige wenige Stellplätze wegfielen. So geschehen etwa, als die Grünen im Herbst 2018 im Gemeinderat ein Verkehrsgutachten anregten, um die Ausweitung der Fußgängerzone rund um den Europaplatz und die nördliche Karlstraße zu untersuchen. Keine 24 Stunden nach Bekanntwerden dieses Vorstoßes wurde er von dem führenden Autofahrerlobbyisten der CDU-Gemeinderatsfraktion unter Hinweis auf die „nicht auszumalenden wirtschaftlichen Auswirkungen“ als „pure Ideologie“ gegeißelt. Dabei belegt gerade ein Blick in die nördliche Karlstraße das genaue Gegenteil. Die meisten dort angesiedelten Geschäftsleute haben im September 2019 schon zum zweiten Mal den Park(ing) Day vor Ort unterstützt. Teilweise auch die, die 2018 noch skeptisch waren. Ein Café konnte sich 2019 nicht mehr beteiligen. Es musste im Herbst des Vorjahres schließen. Schon die Vorgänger hatten wegen der kleinen Räumlichkeiten aufgegeben. Eine Außengastronomie ist auf dem Bürgersteig lediglich beschränkt auf sechs Sitzplätze möglich. Deutlich besser wäre die Situation, wenn man nur zwei Stellplätze vor dem Lokal umwidmen würde. Doch was wenige Meter entfernt bei einer großen Restaurantkette möglich war, wurde dem kleinen Café nicht gegönnt. Die Stadt könne auf die Parkeinnahmen nicht verzichten, wurde dem Betreiber gesagt. Die ggfs. von ihm zu entrichtenden Abstandszahlungen waren von ihm nicht aufzubringen. Von 3.000 € Einnahmen an Parkgebühren monatlich soll die Rede gewesen sein, ein Betrag, der selbst bei einer hundertprozentigen Auslastung der Stellplätze in dem zahlungspflichtigen Zeitraum werktags von 8 — 20 Uhr nie und nimmer erreicht wird. An Stelle des Cafés versucht sich nun seit einigen Monaten an gleicher Stelle ein marokkanisches Restaurant mit identischen Problemen. Der neue Betreiber war vom Park(ing) Day 2019 ähnlich begeistert wie sein Vorgänger. Auch er hofft auf ein Umdenken in der Verkehrspolitik und deutlich höhere Attraktivität durch Rückbau und Umgestaltung der Karlstraße. Mal sehen, wie lange er es ohne Einlenken der Stadt an diesem Standort schafft.
Die beschriebene Situation ist kein Einzelfall. Im August 2019 ging etwa der Kampf des Cafés „Lottis Traum“ ganz in der Nähe in der Hirschstraße durch die lokalen Medien, weil die Betreiberin ihren Traum durch Bemühungen, direkt vor dem Café Parkplätze einzurichten, bedroht sieht. Auch dort würden ggfs. die ohnehin schon eingeschränkten Möglichkeiten einer Außengastronomie wegfallen.
Allerdings können sich Parkplätze auch für andere kleine Läden ausgesprochen negativ auswirken. Es reicht schon vollkommen, wenn über einen längeren Zeitraum ein überdimensioniertes Schädliches Ungetüm im Verkehr (abgekürzt: SUV) vor dem Schaufenster steht. Dann werden manche Geschäfte kaum noch wahrgenommen. Geschäftsleute in der südlichen Waldstraße oder in der Herrenstraße können etwa ein Lied davon singen.
Nur drei Beispiele dafür, dass eine Reduzierung von Parkplätzen den drei Zielen Verkehrswende, Klimaschutz und Wirtschaftsförderung gleichermaßen dienen kann. Wie passt es zusammen, muss man sich daher fragen, dass die Stadt Karlsruhe in wenigen Jahren die für die Verkehrswende und einen effektiven Klimaschutz so dringend benötigten oberirdischen Gleise in der Kaiserstraße opfern will, um dort dem Hirngespinst einer riesigen Fressmeile nachzueifern, wenn sie an anderer Stelle so wenig Herz für kleine Gastronomiebetriebe hat? Dabei gilt letztlich ohnehin: Die beste Wirtschaftsförderung für eine Innenstadt erreicht man, wenn die Rahmenbedingungen so sind, dass möglichst viele Einwohner ganz auf einen eigenen Pkw verzichten. Besser kann man nicht gewährleisten, dass ihre Kaufkraft nicht auf die grüne Wiese abfließt, sondern weitestgehend in der Stadt bleibt. Und durch den Verzicht auf den Pkw haben sie auch noch einen deutlich höheren Betrag in der Tasche. Wobei von „Verzicht“ in aller Regel noch nicht einmal die Rede sein kann. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass jemand in Karlsruhe auf ein eigenes Auto angewiesen ist, ist ohnehin gering.
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 3/19
Stand des Artikels: 2019! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.