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„Ein badisches Trauerspiel? Wörth, Winden und Neustadt liegen doch in der Pfalz“, werden sich der Leser oder die Leserin fragen. Genau! Die Strecke liegt in der Pfalz. Aber niemand hat so ein elementares Interesse an deren Ausbau wie Karlsruhe und das Karlsruher Umland, auf die sie zuführt. Seit Jahrzehnten wird darüber gejammert, dass die Strecke nicht elektrifiziert und zwischen Wörth und Winden auch nur eingleisig ist. Wenn man etwa die Stimmen der Pendler hört, die in Winden auf die Anschlüsse nach Weißenburg oder Bad Bergzabern angewiesen sind, war die Zuverlässigkeit zuletzt nur noch ein Desaster.
Die von verschiedenen Seiten vorgeschlagene Aufnahme der Strecke in den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 scheiterte bei dessen letzter Aufstellung. Denn die Kriterien für die Definition von Fernverkehr beim Bau von Bahnstrecken sind völlig andere als beim Bau von Straßen. Auf der Straße gilt jede Strecke mit einer Länge von mehr als 50 km als Fernverkehr, auf der Schiene nur dann, wenn ein Zug im Fernverkehr darüber fährt. Faktisch entscheidet so letztlich regelmäßig das Unternehmen DB über seine Geschäftspolitik darüber, welche Strecken für einen Ausbau nach dem BVWP überhaupt in Betracht kommen. Da zwischen Karlsruhe und Neustadt nur Regionalzüge unterwegs sind, hat das die absurde Folge, dass ein Pendler von Neustadt/Weinstraße auf der Straße für den Bau der dritten Rheinbrücke nach dem BVWP herangezogen werden kann, ein Pendler mit der Bahn hingegen nicht für den Ausbau der parallel verlaufenden Bahnstrecke.
Es gilt also nach anderen Möglichkeiten des Ausbaus und der Finanzierung zu suchen. Und an sich, sollte man meinen, waren die Vorzeichen dafür zuletzt so günstig wie nie. Vor der Bundestagswahl 2021 haben zwar nicht zuletzt Bündnis 90/Die Grünen mit ihrer unreflektierten Corona-Hardliner-Politik systematisch Wähler zur FDP getrieben. Sie und wir alle mussten nun drei Jahre damit leben, dass das Schlüsselressort für die Verkehrswende in Berlin nicht, wie von vielen erwartet, an den ausgewiesenen Verkehrsexperten Toni Hofreiter ging, sondern an die FDP. Volker Wissing als zuständiger Minister kommt allerdings aus der Südpfalz und wohnt nach wie vor dort. Als Landeswirtschaftsminister war er zuvor in Mainz auch für den Verkehr zuständig und das Bundesland macht mit dem Rheinland-Pfalz-Takt an sich eine ganz gute Figur im Bahnverkehr. Drei weitere Bundestagsabgeordnete aus der Südpfalz mit drei verschiedenfarbigen Parteibüchern haben es als Staatsminister bzw. Staatssekretär anderer Ministerien in die Bundesregierung geschafft (Mario Brandenburg, FDP; Thomas Hitschler, SPD; Tobias Lindner, Grüne). Und nicht nur das. Volker Wissing hatte mit Michael Theurer einen Staatssekretär als Beauftragten der Bundesregierung für den Schienenverkehr ernannt, der seinen Wahlkreis in Karlsruhe hatte. Als früherer Oberbürgermeister von Horb und Gastgeber der Horber Schienentage hat er in Bahnkreisen einen recht guten Ruf. Er war bis September 2024 im Amt. Sagenhafte fünf Mitglieder der Bundesregierung also, die ihren Wahlkreis an der Bahnstrecke hatten.
Hat es geholfen? Immerhin wurde 2023 durch den Zweckverband SPNV Rheinland-Pfalz Süd eine Machbarkeitsstudie vorgestellt, die den zweigleisigen Ausbau für möglich hält. Und im Zuge der Diskussionen über den Ausbau des Güterverkehrs auf der Schiene wurde das Vorhaben als Ausbaustrecke (ABS) Bingen — Hochspeyer, Neustadt — Wörth als „potentieller Bedarf“ in den Bedarfsplan für die Bundesschienenwege aufgenommen. Also Land in Sicht? Wohl kaum. Bei Projekten im „potentiellen Bedarf“ muss erst einmal nachgewiesen werden, dass sie die Kriterien für den „vordringlichen Bedarf“ erfüllen. Wieso das Vorhaben nur als „potentieller Bedarf“ eingestuft wurde, bleibt schleierhaft. Der Bedarf ist elementar. Und selbst dann wäre die Finanzierung nicht gesichert, da das Geld schon für die Projekte im vordringlichen Bedarf nicht ansatzweise reicht.
Umso dringlicher wäre es, wenn auch die Repräsentanten und Würdenträgerinnen auf der rechtsrheinischen Seite — auf kommunaler wie auf Landesebene gleichermaßen — endlich begreifen, wie wichtig das Vorhaben ist, und nach der vorgezogenen Bundestagswahl regelmäßig in Berlin, Stuttgart und Mainz dafür auf der Matte stehen. Nur so kann der Ausbau forciert werden. Von den vielen regionalen Protagonisten der bisherigen Bundesregierung wird dann allerdings niemand mehr im Amt sein. Michael Theurer hat sich bereits im September zur Deutschen Bundesbank verabschiedet, die anderen drei Staatssekretäre allesamt schon vorher angekündigt, ihren Posten und ihre politische Laufbahn aufzugeben. Und Volker Wissing hat zwar beim Bruch der Ampelregierung Rückgrat bewiesen, wird aber gerade deshalb künftig wohl auch keine entscheidenden Ämter mehr ausüben.